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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Eindruck machte?
    Mrs. Flaherty hatte eine Hand ganz offen auf Brendans Arm gelegt, und Emily beobachtete einmal, wie er sie vehement abschüttelte. Kurz darauf legte sich die Hand erneut auf seinen Arm. Emily blickte Daniel von der Seite an und stellte fest, dass auch er das bemerkt hatte. War das ein Zufall? Sie betrachtete sein ernstes Gesicht mit den großen hohlen Augen und dem sensiblen Mund, aus dem jetzt aller Humor entwichen war. Er schien die Leute genauso zu studieren wie sie.
    Nach dem Gottesdienst war es ebenso. Fergal und Maggie standen nebeneinander und unterhielten sich mit Father Tyndale, wirkten aber, als wäre die körperliche Nähe nur zufällig. Beide schienen sich nicht wohlzufühlen. Etwas hier irritierte sie, und sie konnten keine Freude über die Erlösung, die Gott den Menschen geschenkt hat, empfinden. Sie sah Daniel an und merkte, dass er genau dieselbe Wahrnehmung haben musste.
    Brendan Flaherty war im Gespräch mit einer jungen Frau, und seine Mutter schlich in der Nähe herum, als
wollte sie die beiden gleich unterbrechen. Eine Frau mittleren Alters kam dazu. Mrs. Flahertys Augen blitzten sie böse an, und den Gesichtern nach zu schließen, sagte sie wohl etwas Spitzes. Das Mädchen wurde rot. Die Frau machte einen Schritt zurück, und Brendan schien verletzt zu sein und wandte sich ab, sodass seine Mutter in Verteidigungspose, aber ohne ihren Schützling dastand.
    Mit belustigtem Gesicht sagte Fergal O’Bannion etwas zu Brendan und nahm dann Maggies Hand. Sie erstarrte mit kummervollem Blick. Sie sprach mit Fergal und legte dann ihre Hand auf die seine. Emily war sich sicher, dass es eher eine kontrollierte als eine liebevolle Geste war.
    Brendan machte eine scherzhafte Bemerkung, sprach aber so leise, dass Emily nichts hören konnte. Maggie lächelte und senkte den Blick. Fergal stellte sich anders hin und nahm so was wie eine streitlustige Pose ein.
    Brendan blickte Maggie an, und Emily lief eine Gänsehaut über den Rücken, als sie merkte, dass in seinem Blick eine Zärtlichkeit lag, die eine Sehnsucht ausdrückte, tiefer als Freundschaft. Sie sah noch einmal hin und stellte jetzt nur nette Höflichkeiten fest. Sie war sich nicht mehr sicher, dass sie überhaupt etwas gesehen hatte.
    Sie drehte sich nach Daniel um, um zu sehen, ob er vielleicht auch etwas bemerkt hatte, aber der beobachtete Padraic Yorke.
    »Anscheinend hat es sie hart getroffen«, sagte Daniel leise.

    Sie wusste nicht, was er meinte.
    »Die Mannschaft«, erklärte er ihr. »Kennen die Leute hier vielleicht jemanden vom Schiff? Oder ihre Familien?«
    »Ich glaube nicht. Darauf kommt es auch nicht an. Jeder Tod ist ein Verlust. Man muss die Betroffenen nicht kennen, um es zu spüren.«
    »In der Luft liegt etwas Schweres«, sagte er langsam. »Als ob ein Funke es zum Brennen bringen könnte. Wirklich gute Leute hier.« Er sprach so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte. »Sie trauern um die Toten und kannten sie doch gar nicht. Vermutlich besitzen die besten von uns ein Gefühl der Menschlichkeit, und der Tod verbindet die Lebenden wie nichts anderes auf der Welt.« Er biss sich auf die Lippen. »Aber dennoch wünschte ich, ich könnte namentlich um meine Kameraden trauern.«
    Emily sagte nichts dazu. Nicht der Verlust der Bootsleute plagte das Dorf, sondern Connor Riordan und die Gewissheit, dass einer von ihnen für seinen Tod verantwortlich war.
    »Natürlich«, sagte sie nach einigem Zögern. Die Toten vom Schiff waren seine einzige Verbindung zu seiner Identität, zu allem, was er gewesen war und was er geliebt hatte. Ohne sie würde er den Teil seiner selbst nie mehr kennen. Alles, was sie zusammen erlebt hatten, das Lachen, den Triumph und das Leid waren dahin. »Das tut mir leid«, fügte sie noch voller Mitgefühl hinzu.
    Dann lächelte er auf einmal und sein Gesichtsausdruck
veränderte sich. Plötzlich sah sie in ihm den Jungen, der er vor ein paar Jahren gewesen war.
    »Aber ich lebe, und ich würde unserem Herrn, der mich gerettet hat, wenig Ehre erweisen, wenn ich ihm dafür nicht dankbar wäre, finden Sie nicht auch?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er auf ein Grüppchen Leute zu und stellte sich vor, sagte ihnen, wie sehr er ihre Gastfreundschaft und den Mut der Männer schätzte, die die ganze Nacht im Sturm verbracht hatten, um ihm das Leben zu retten.
    Sie sah zu, wie er zu jedem Einzelnen und zu den Gruppen hinging und immer dasselbe sagte, in ihren Gesichtern las und ihnen zuhörte. Es

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