Der Weihnachtsfluch - Roman
Seetang, Algen, die aus ihrer tiefen Verwurzelung gerissen worden waren und nun dunkel am Strand herum - lagen. Sie sah die zersplitterten Holzstücke dazwischen, Überbleibsel von dem gesunkenen Schiff, als ob das Meer das Holz nicht verdauen könnte und wieder ausgespuckt hätte. Sie waren eine Art Mahnmal menschlicher Kühnheit und Trauer.
Erst als sie stehen blieb und auf eines der größeren Stücke starrte, blasse, grobe Holzstücke, die aus dem schwarzen Gewirr des Seetangs ragten, merkte sie, dass Padraic Yorke direkt hinter ihr stand. Sie drehte sich um und sah ihn an, sah, wie sich dieselbe unermessliche Traurigkeit, die sie auch empfand, in seinem Blick spiegelte, und die Angst, die die Kraft und Schönheit des Meeres heraufbeschwört, wenn man alle seine Launen miterlebt.
»Werden jeden Winter solche Wracks angespült?«
»Nicht nur im Winter«, antwortete er. »Aber so schlimme Stürme wie dieser sind eher selten.« Er sah angespannt aus, hatte dunkle Ränder unter den Augen, und sie fragte sich, ob er auch an diesen Sturm vor sieben Jahren dachte, an den jungen Mann, der damals an Land gespült worden und nie weggegangen war.
»Daniel kann sich immer noch an nichts erinnern«, sagte sie spontan. »Glauben Sie, jemand hier kann ihm helfen?«
»Wie denn?« Er war verblüfft. »Keiner kannte ihn,
wenn Sie das meinen. Er ist mit niemandem im Dorf oder in den umliegenden Dörfern verwandt.« Er lächelte düster. »Alle sind miteinander verwandt oder kennen jemanden, der es ist. Es ist ein wildes Land, aber die Leute haben ihren Platz hier. Sie haben keine andere Wahl. Er kommt jedenfalls nicht aus West-Connemara, Mrs. Radley.«
Das hörte sich absurd an. Es war eine Annahme, zu der keinerlei Grund bestand. Und doch glaubte sie ihm. »Sie kennen die Gegend gut genug, um das so überzeugt sagen zu können?«
Sein Gesichtsausdruck hellte sich auf. »Ja, ich kenne das Land hier und alle Leute, die hier leben, und ihre Geschichte.« Er ließ seinen Blick schweifen, kniff die Augen etwas zusammen, als er über die hohen Grasbüschel blickte, an denen der schneidende Wind zerrte, und die wellenartig bis zu den Hügeln am Horizont wogten. Das Licht änderte sich, verändert durch jeden Schatten. Einmal war es blasser, dann wieder dunkler, dann hatte es eine leicht goldene Patina.
Vielleicht erkannte er ein Staunen in ihrem Gesicht, vielleicht aber wollte er ohnehin etwas sagen. »Bevor Sie wieder abfahren, müssen Sie ins Moor hinausgehen. Zuerst wird es Ihnen trostlos vorkommen, aber je länger Sie hinschauen, desto mehr werden Sie sehen. Jeder Quadratmeter wird Ihnen blühendes Kraut zeigen, vielleicht ein Blatt, und seine Schönheit wird sie nie wieder loslassen.«
Sie musste lächeln. »Gerne. Danke. Aber erzählen Sie mir doch von den Leuten hier. Ich werde das Land nicht
verstehen, ohne die Menschen zu kennen, die es geformt hat.«
Sie hatten das Treibholz und den Seetang hinter sich gelassen, und sie war froh, in gemächlichem Tempo weiterzugehen. Sie hatte den ganzen Vormittag Zeit und wollte erfahren, was er alles wusste. »Führt Brendan Flaherty wirklich so ein ungestümes Leben?«, fragte sie mit einem sanften Lächeln. »Ich sehe ja nur seine charmante Seite, wenn er mit seiner Mutter zusammen Susannah besucht.«
Mr. Yorke zuckte mit den Achseln, wobei er eine Schulter weiter als die andere hochzog, was der Geste irgendwie etwas Komisches gab. »Früher ja, aber er ist schon in Ordnung. Als er jünger war, hat er den Spaß manchmal auf die Spitze getrieben und sogar darüber hinaus. Kein Ereignis im Dorf, an dem er nicht irgendwie beteiligt gewesen wäre. Und kein hübsches Mädchen, mit dem er nicht geflirtet hätte. Wie weit er dabei ging, kann ich nicht sagen. Ich habe auch nicht gefragt. Ich vermute, er trieb es manchmal zu bunt. Aber das passiert nun mal, wenn man jung ist.«
»Aber nichts Ernstes?« Emily merkte, dass sie Brendan in Schutz nahm, weil sie sich genau daran erinnerte, wie sie für einen kurzen Augenblick Verletzlichkeit in seinem Blick wahrgenommen hatte.
»Natürlich nicht«, sagte Mr. Yorke entschuldigend. »Darum hat sich seine Mutter schon gekümmert. Sie hat ihn von Anfang an verwöhnt. Und nach dem Tod seines Vaters war nur das Beste gut genug für ihn.«
»Wie meinen Sie das?« Sie wollte alles richtig verstehen, nicht einfach vermuten. Hatte Connor Brendan
irgendwie herausgefordert und konnte Brendan, der ja immer alles bekam, was er wollte, es vielleicht nicht
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