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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ertragen zu verlieren? War es zu Handgreiflichkeiten gekommen, zu einem Wutausbruch, zu einer Schlägerei mit tödlichem Ausgang?
    Mrs. Flaherty hätte Brendan gedeckt, Ausflüchte gesucht, Lügen erfunden, wie sie es immer getan hatte. Vielleicht hatte Hugo Ross ihn auch in Schutz genommen, weil er an einen Unfall geglaubt hatte.
    War das notwendig gewesen? Oder fürchteten sie, dass Brendan mehr als nur disziplinlos war, wahrhaft egoistisch und vielleicht sogar vernichtend? Hatte Emily in Colleen Flahertys Blick Angst gesehen, als sie ihren Sohn beobachtete, oder war es nur die Befürchtung gewesen, dass andere in ihm zu erkennen glaubten, was sie bei seinem Vater gesehen hatten?
    War es so? Und war Connor Riordan mit einer Weitsicht ins Dorf gekommen, die alles zum Wanken gebracht hatte? Hatte er Brendan klarer gesehen als die anderen? Oder war Mrs. Flahertys Angst eine Spiegelung ihrer eigenen Erfahrung mit dem Mann, den sie so geliebt hatte? Verdrängte sie die Tatsache, dass Brendan ein ganz anderer Mensch war? Sie konnte sich nicht an ihren Mann klammern oder wiedergutmachen, was vielleicht nicht richtig gewesen war, sie konnte die alten Fehler nicht wiedergutmachen.
    War es das, was Emily in Brendans Blick gesehen hatte? Eine Angst, dass er so werden könnte wie sein Vater, mit denselben Schwächen? Oder befürchtete er, dass seine Mutter ihn nie als eigenständigen Menschen sähe,
dass es ihm nie vergönnt wäre, sich von Seamus’ Geist zu befreien, und dass sie ihn so, wie er wirklich war, nie lieben könnte?
    Nahm sie ihn immer noch in Schutz, weil er es brauchte, oder weil sie ihn nicht loslassen konnte? Schürte sie seine Schwächen noch, statt sie zu zügeln, damit er weiterhin von ihr abhängig blieb?
    Hatte Connor das alles bemerkt und in der Wunde herumgestochert? Manchmal sind Legenden wichtiger als die Realität, Träume bedeutender als die Wahrheit. Würde Daniel das alles auch sehen können?
    »Danke, Mr. Yorke«, sage sie unvermittelt. »Sie haben Recht. Ich würde gerne die Schönheit des Moores kennenlernen, die ich zuvor nicht für möglich gehalten hatte.«
    Als sie merkte, dass ihr kalt war, ging sie zügig weiter. Sie war froh, als sie zum Laden kam und hineingehen konnte, denn innen war es schön warm.
    »Einen schönen guten Tag, Mrs. Radley«, sagte Mary Donnelly mit einem Lächeln. »Ja, es ist schon recht kalt. Also, womit kann ich dienen? Ich habe einen guten Heidehonig für die arme Mrs. Ross aufgehoben. Sie mag ihn so gern. Und er wird ihr guttun.« Sie bückte sich und brachte ein Glas unter der Ladentheke hervor. »Und ein Dutzend frische Eier«, fuhr sie fort. »Mit dem armen jungen Mann wird ja sicher mehr gekocht als sonst. Wie geht’s ihm denn?«
    »Er hat Prellungen. Ich glaube, er hat sich schlimmer verletzt, als er zuerst zugab. Aber er wird wieder genesen.«

    »Bis dahin wird er wohl hierbleiben, denke ich.« Mary kniff die Lippen zusammen.
    »Wo sollte er auch hin?«
    »Er hat sicher eine Mutter, die ihn vermisst«, gab sie zur Antwort. »Gott stehe der armen Seele bei.«
    Emily legte die Einkaufstüte in ihren Korb und bezahlte. »Heute Morgen haben Sie aber nicht viel Kundschaft«, stellte sie fest und gab ihrem Gesicht einen leicht besorgten Ausdruck.
    Mary wich ihrem Blick aus, als ob sie sich etwas anderem zuwenden würde. Da war aber nichts, außer dem Wind bewegte sich nichts.
    »Später wird’s vermutlich voller hier«, sagte sie lächelnd.
    Emily war klar, dass sie nichts erfahren würde, wenn sie nicht direkt fragte. »Ich habe Mr. Yorke am Strand getroffen. Er hat mir vom Dorf erzählt.«
    »Oh, das tut er gerne.« Mary war erleichtert, über Allgemeines zu sprechen. »Kennt sich besser aus als jeder andere.«
    »Und er kennt die Menschen«, fügte Emily noch hinzu.
    Das Strahlen in Marys Augen verflüchtigte sich umgehend. »Ich denke schon. Übrigens, Mrs. Radley, ich habe hier einen halben Brotlaib für Mrs. Flaherty. Sie kommen ja direkt bei ihr vorbei. Würde es Ihnen was ausmachen, ihn dort abzugeben?« Sie zog eine Tüte hervor, sorgfältig verpackt. Es war nicht direkt eine Aufforderung, das Gespräch zu beenden, aber Emily kam es dennoch so vor.

    Emily nahm die Tüte in Empfang. »Natürlich. Wirklich sehr gerne.«
    Mary erklärte ihr sogleich, wie sie zu dem Haus der Flahertys käme. »Sie können es gar nicht verfehlen«, sagte sie herzlich. »Es ist das einzige an der Straße mit Torpfosten aus Stein und zwei Bäumen vor dem Haus. Und könnten

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