Der Weihnachtspullover
verkauft wurde.
Als wir drei Stunden später wieder zu Hause eintrafen, musste Großmutter nicht einmal fragen, was passiert war: Unsere Eiscreme-Schnurrbärte hatten uns verraten. Doch bevor sie überhaupt ein Wort sagen konnte, zog Großvater die Staubsaugerbeutel aus der Tasche und umarmte sie ganz fest. Es war wirklich nicht leicht, ihm böse zu sein.
Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht, als ich an den Eiscreme-Ausflug dachte.
Mom stand hinter Großmutter. Sie trug eine ihrer Baumwollschürzen. Als sie mich lächeln sah, lächelte sie zurück.
Und wie man als Zwölfjähriger eben so ist, errichtete ich, dumm wie ich war, eine weitere Mauer und tat so, als sei ich immer noch nicht bereit, klein beizugeben.
Ich schaute geradewegs an ihr vorbei.
Wenn Großvater der König der Geschichtenerzähler war, dann war der Esstisch sein Hof. Es machte immer Spaß, aber da Großmutter uns mit dem Auspacken der Geschenke bis nach dem Essen warten ließ, versuchte Großvater, seine Geschichten an Weihnachten kürzer zu haltenals gewöhnlich. Der Baum zog ihn ebenso magisch an wie mich.
Dieses Jahr schien Großvater allerdings außergewöhnlich in Eile zu sein. Mom und ich wussten, dass er etwas im Schilde führte, aber wir hatten beide keine Ahnung, worum es ging. Nach der Hälfte des Essens hatte meine Großmutter scheinbar genug von seinem Herumgezappel. Sie wandte sich ihm zu und flüsterte: »Morgen, Edward.« Großvater war die Enttäuschung vom Gesicht abzulesen.
Nachdem der Kaffee eingeschenkt war, begaben wir uns im Gänsemarsch ins Wohnzimmer. Großvater setzte sich in seinen Erzählsessel, und meine Mutter nahm neben Großmutter auf dem Sofa Platz. Ich ging schnurstracks auf den Baum zu. Ich fungierte wie üblich als Geschenkeverteiler und machte mich sogleich ans Werk.
»Bitte schön, Grandpa«, sagte ich, als ich ihm ein Geschenk brachte, das verdächtig leicht war. Leicht wie Socken , dachte ich bei mir. Großvater zwinkerte mir zu, und ich legte das Geschenk zu seinen Füßen auf den Boden.
Jedes Mal, wenn ich zum Baum zurückging, um ein weiteres Päckchen zu holen, hoffte ich insgeheim, meinen Namen auf dem Anhänger zu lesen – aber das geschah nur zweimal. Sogar Mom hatte drei Geschenke.
Ich begann langsam mein erstes Geschenk auszupacken,als ich bemerkte, dass der Klebestreifen an einer der beiden Laschen ein kleines Bläschen enthielt. Großvater. Ich blickte zu ihm auf und warf ihm meine Version des Ich-weiß-was-du-getan-hast-Blickes zu, aber er ignorierte mich und war eifrig damit beschäftigt, sein eigenes Geschenk zu öffnen.
Angesichts der Größe meiner beiden Geschenke wusste ich, dass keines davon ein Fahrrad enthielt, aber ich hatte die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben – genauso wie heute Morgen, bevor ich meinen Pullover ausgepackt hatte. Was ist, wenn Grandpa das Foto von einem Fahrrad eingepackt hat? Großvater besaß zwar eine grenzenlose Fantasie, aber ich musste zugeben, dass das vielleicht ein wenig zu viel verlangt war.
»Socken!« Großvaters allzu begeisterter Schrei, der von der anderen Seite des Zimmers ertönte, riss mich aus meinen Gedanken. Donnerwetter, der Mann war wirklich gut!
Während die meisten Menschen im Fernsehen das Geschenkpapier aufreißen, es zu einem Ball zusammenknüllen und quer durchs Zimmer in die Abfalltüte werfen, mussten wir unsere Päckchen immer langsam und vorsichtig öffnen, damit wir das Papier im nächsten Jahr wieder verwenden konnten. Ich glaube, meine Mutter und meine Großmutter wetteiferten heimlich darum, nicht die Erste zu sein, der es nicht mehr gelänge, ein Papier zu retten.In diesem Jahr waren die Geschenke von beiden in Papier eingepackt, das nur zwei Jahre jünger war als ich.
Auch wenn ich das ganze Hin und Her mit der Papiersparaktion immer hasste, weil es das Öffnen der Geschenke verlangsamte, so war es doch hilfreich, weil es Fehler überdeckte, die Großvater und mir möglicherweise während unserer »Geschenkepeilungen« unterlaufen waren. Wenn wir also aus Versehen einmal das Papier ein Stückchen eingerissen oder den Klebestreifen nicht mehr ganz akkurat platziert hatten, dann konnten wir es immer auf das obligatorische Recycling-Programm schieben.
Ich griff nach einer Schachtel, auf der mein Name stand und die lediglich mit einem Schleifenband versehen war. Ich löste das Band, hob den Deckel und schob das Seidenpapier zur Seite. Mein Herz raste in gespannter Erwartung. Falls irgendjemand einen
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