Der Weihnachtspullover
war wütend. Nach ein paar Fahrten kam ich nicht mehr freiwillig mit, und Großvater hörte mit seinen Versuchen auf, es zu einer spaßigen Angelegenheit zu machen. Wir wickeltendiese Einkäufe zügig und wortkarg ab, holten, was wir benötigten, und kehrten so schnell wie möglich wieder zur Farm zurück. Nach ein paar Fahrten dieser Art verzichtete Großvater darauf, mich mitzuschleppen.
Aber eine Sache, die wir nicht aufgaben, waren die wöchentlichen Gottesdienstbesuche in Großmutters Kirche. Allerdings vertrieben wir uns nicht mehr länger die Zeit mit irgendwelchen Spielchen. Großvater wollte nicht abgelenkt werden. »Zeige etwas Respekt«, flüsterte er mir während der Predigt zu. »Ich versuche zuzuhören. Das solltest du auch tun.«
Nach der Messe setzten sich Großmutter und Großvater gewöhnlich allein in die erste Reihe, senkten die Köpfe und beteten. Ich stand derweil hinten und wartete auf sie. Manchmal versuchte ich, die Gebetskerzen zu einem Muster anzuordnen, oder ich spielte mit dem Weihwasser – aber meistens langweilte ich mich. Ich fühlte mich dort nicht einmal mehr meinem Vater nahe. Es kam mir so vor, als ob er und Gott sich zur selben Zeit entschlossen hatten, mich im Stich zu lassen.
Nachdem ich mir einige Male angeschaut hatte, wie meine Großeltern der Täuschung erlagen, dass Gott ihnen helfen würde, traf ich eine Entscheidung: Sie konnten mich vielleicht dazu verdonnern, dass ich in die Kirche ging, aber sie konnten nicht darüber bestimmen, ob ich auch zuhörte. Großvater mochte ja vielleicht glauben, erkönnte Antworten in der Kirche finden, aber ich hatte meine bereits: Gott war für mich tot. Es war nicht so, dass er nicht existierte, er existierte bloß für mich nicht mehr. Er hatte sich meine Gebete angehört und beschlossen, sie zu ignorieren, und daher würde ich ihn jetzt ebenfalls wie Luft behandeln.
Ich würde ihn ebenso leiden lassen, wie er mich leiden ließ.
Nun, da die Fahrten in die Stadt ausfielen, dachte sich Großvater neue Dinge aus, um seinem widerspenstigen Enkelsohn den richtigen Weg zu weisen. Gutes Wetter brachte neue Pflichten mit sich, und er befand, dass es die Sache wert war, mich zu zwingen, ihm dabei zu helfen.
Großvater war der Ansicht, dass Eisenwaren-und Holzhandlungen höchstens zum Kauf von Nägeln taugten. Warum sollte man für Holz und Fenster bezahlen, wenn man sie in alten Scheunen und Außengebäuden umsonst bekam? Großvater hatte das Auffinden derart kostenlosen Materials zu einem Zeitvertreib gemacht. Sobald er ein Objekt entdeckt hatte, hielt er an und erkundigte sich beim Besitzer, ob er ihn von dem verfallenen Schandfleck befreien durfte. Meist war der Besitzer so froh, dass jemand das baufällige Gebäude wegschaffte, dass er sogleich die Gelegenheit ergriff und auf Großvaters Vorschlag einging.
Hin und wieder bot ihm jemand das Holz zu einem gewissenPreis an, woraufhin Großvater jedes Mal höflich, aber bestimmt ablehnte. Er bezahlte niemals für etwas, das er auch umsonst bekommen konnte. In manchen Fällen, wenn die Person, die versuchte, ihm Geld abzuknöpfen, gerade aus Seattle hergezogen war – oder, schlimmer noch, aus irgendeiner großen Stadt in Kalifornien –, überredete Großvater denjenigen, ihn für die Beseitigung des kostenlosen Materials zu bezahlen. Er behauptete, es sei gut für diese Leute zu lernen, wie die Dinge hier »am Arsch der Welt unter den Bauerntrampeln« geregelt wurden.
Großvater lagerte all das überschüssige Holz und die Fenster hinter seiner Scheune. Es war über die Jahre immer nur hastig gestapelt worden und befand sich in schrecklicher Unordnung. Eines Tages führte er mich zu der Stelle, zeigte auf den Haufen und teilte mir mit, dass er gemeinsam mit mir einen neuen Hühnerstall zu bauen gedachte. Ich war nicht gerade begeistert, aber als er mir zudem eröffnete, dass das ganze Zeug zunächst einmal sortiert und neu gestapelt werden musste, machte mich das ausgesprochen wütend. Ich konnte einfach nicht fassen, dass er so etwas von mir verlangte, denn dafür würde ich ewig brauchen.
Er verschwand für ein paar Minuten und tauchte schon bald mit zwei Gläsern Zitronenwasser wieder auf. Als er sah, dass ich Mühe hatte, eine große Eisenbahnschwellezur Seite zu räumen, stellte er die Gläser rasch ab und eilte auf mich zu, um am anderen Ende anzupacken.
»Lass nur«, sagte ich. »Ich komme schon allein klar.« Ich war so wütend, dass er die ganze Arbeit auf mich abwälzte,
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