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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Beck
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ich dich da zum ersten Mal gebeten habe, mir Bescheid zu sagen, wann du so weit bist. Ich meinte nicht, wann du mit dieser Arbeit fertig bist, sondern wann du endlich damit fertig bist, dich in Selbstmitleid zu ergehen. Wann hörst du endlich auf, mit dieser Jammermiene herumzulaufen und zu glauben, dass die ganze Welt gegen dich ist?
    Die Welt ist nicht dein Feind, Eddie«, fuhr er fort. » Das bist du selbst. Niemand sollte seine Last allein tragen. Gemeinsam können wir es schaffen. Wenn du erst einmal begriffen hast, dass du um Hilfe bitten kannst, wird sich deine ganze Welt verändern.«
    Das Brennen in meiner Wange erschwerte es mir, mich auf seine Worte zu konzentrieren. »Ich glaube, es reicht mir schon, wie sich meine Welt verändert hat.«
    »Hör zu, Eddie, ich weiß, dass das Leben im Augenblick schrecklich wehtut. Deine Großmutter und ich beten jeden Abend darum, dass Gott den Schmerz lindern möge, den du empfindest, und der uns beiden ebenso zu schaffen macht. Aber du bist nicht der erste junge Mann, der seine Mutter verloren hat, und ich bin nicht der erste Vater, der den Tod seiner Tochter beklagen muss. Wir könnten gemeinsam lernen, mit dem Verlust fertigzuwerden. Du musst das nicht allein durchstehen.« Seit langer Zeit bemerkte ich zum ersten Mal seine Augen: Das durchdringende Ichdurchschaue-dich-Blau wirkte erschöpft und trüb.
    »Tut mir leid, dass ich dir eine Ohrfeige gegeben habe, aber ich erkenne dich einfach nicht mehr wieder. Du bist nicht der junge Mann, der du eigentlich sein solltest, und ich habe keine Ahnung, wohin diese Veränderungen führen werden, gegen die du offenbar nicht zu kämpfen gewillt bist. Ich weiß, dass es schwer ist, aber du musst dir einen Weg durch all dies hindurchbahnen. Der Schmerz wird vergehen, und mit der Zeit werden wir beide wieder lernen, gemeinsam zu lachen.« Er schwieg für einen Moment und schaute zur Seite. »Ich will meine Tochter zurückhaben. Und ich will meinen besten Freund zurückhaben, Eddie. Ich will dich zurückhaben. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich euch beide in diesem verdammten Wagen verloren.«
    Verdammt war ein ziemlich heftiges Schimpfwort fürmeinen Großvater. Ich hatte zwar schon schlimmere aus seinem Mund gehört, aber Großmutter duldete keine Kraftausdrücke. Ich hielt Ausschau nach Wut, aber sein Gesichtsausdruck verriet nur noch Traurigkeit und Erschöpfung. Er sah alt aus.
    Ich glaube, in diesem Moment kam mir zum ersten Mal in den Sinn, dass Großvater eine Tochter verloren hatte. Er brauchte mich ebenso sehr wie ich ihn. Wir hätten uns an den Händen halten sollen wie damals auf der Achterbahn. Es spielte schließlich keine Rolle, wer wen tröstete.
    Ich fühlte mich mit einem Mal auch schrecklich erschöpft. Aber es ging über das Körperliche hinaus – ich hatte es satt, allein zu sein, satt, die ganze Zeit wütend zu sein, satt, meine Schuld tief in der Magengrube einzusperren. Am liebsten hätte ich mich in die Arme meines Großvaters fallen lassen, denn ich sehnte mich danach, von ihm zu hören, dass alles wieder gut werden würde. Aber ich war doch erst zwölf. Ich hatte keine Ahnung, wie ich zurückfinden, wie ich all die Fehler wiedergutmachen sollte, die ich begangen hatte. Ich hatte Stärke in der Wut gefunden. Ich hasste zwar die Worte, die ich schließlich zu ihm sagte, aber ich vermochte sie nicht zurückzuhalten.
    »Ich brauche weder deine noch Gottes Hilfe.« Meine Stimme war ruhig, und ich spürte, wie sich meine Lippen zu einem kleinen, spöttischen Lächeln verzogen.
    »Ich weiß, dass du auf irgendjemanden wütend sein willst«, erwiderte Großvater ebenso ruhig. »Wenn dir das hilft, den Tag zu überstehen, dann sei wütend auf mich. Aber bitte nicht auf Gott. Er hat dir das nicht angetan. So etwas geschieht eben. Manchmal ist es das Resultat unserer eigenen Handlungen, manchmal auch nicht. Es kommt bisweilen vor, dass guten Menschen schlimme Dinge widerfahren. Aber Gott möchte nur eins: dass du glücklich bist.«
    Ich starrte zu Boden und hoffte, dass er endlich aufhören würde. Aber das tat er nicht. »Wir alle müssen uns Herausforderungen und Prüfungen stellen, und manche davon sind größer als andere. Sie sollen uns stärker machen und auf den Weg vorbereiten, der vor uns liegt. Und das nicht nur um unseretwillen, sondern für all diejenigen, denen wir unterwegs begegnen. Ich habe keine Ahnung, was Gott für uns vorgesehen hat, aber ich weiß, dass wir alles schaffen werden,

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