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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Beck
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einen neuen Freund gefunden hatte, machte offenbar die Enttäuschung wett, dass ich nicht zum Abendessen zu Hause sein würde. Nachdem ich ihr erklärt hatte, wer die Ashtons waren und wo sie wohnten, gab sie mir zögernd die Erlaubnis, mit ihnen zu essen.
    Das Abendessen war wie ein Abenteuer für mich. Ich hatte nur ganz selten die Gelegenheit, in einem Restaurant zu essen, und wenn, dann niemals an einem ganz gewöhnlichen Dienstag. Meine Eltern hatten mich zu ganz besonderen Gelegenheiten immer in Farrells Eisdiele mitgenommen, wo ich einen typisch amerikanischen Banana-Split essen durfte. Aber damit das geschah, musste ichschon Geburtstag haben. Und sogar dann ermahnte mich meine Mom immer, keine Milch zu bestellen – obwohl die doch auch im Eis drin war.
    Ich hatte keine Ahnung, womit Mr. Ashton seinen Lebensunterhalt verdiente, aber er musste reich sein. Wir durften nicht nur Milch bestellen, sondern auch Limo. Das war angesichts der Tatsache, dass ich weder in Restaurants noch zu Hause Limo trinken durfte, ein ganz besonderes Vergnügen für mich. Lange Zeit wusste ich nicht einmal, was Limo eigentlich war, bloß, dass sie viele Bläschen hatte.
    Vor drei Jahren hatte ich einmal ein Röhrchen Alka-Seltzer mit Zitronen-Limonen-Geschmack im Küchenschrank gefunden, wo wir die Medikamente aufbewahrten. Ich hatte gesehen, wie es sprudelte, wenn man eine Tablette davon in Wasser tat, und nahm an, es handele sich um eine Art Instant-Limonade. An den nächsten Abenden wartete ich, bis meine Eltern zu Bett gegangen waren, und dann genoss ich den Geschmack dieses – wie ich glaubte – exklusiven (wenn auch ekelhaften) Getränks. Ich konnte nicht verstehen, warum die Leute Limo so sehr mochten, aber ich dachte, ich würde mit der Zeit schon Gefallen daran finden.
    Meine geheime Limonadenfabrik wurde eine Woche später schon wieder geschlossen, als meine Mutter an Sodbrennen litt, das halbleere Röhrchen fand und michzur Rede stellte. Ich entschuldigte mich sogleich dafür, dass ich all die Instant-Limonade getrunken hatte. Sie wäre wahrscheinlich böse auf mich gewesen, wenn sie nicht diesen Lachanfall bekommen hätte, der kein Ende zu nehmen schien.
    Während ich nun echte Limonade trank, bemerkte ich, dass Mr. Ashton einen Anzug mit Krawatte trug, was mein Vater und mein Großvater meiner Erfahrung nach bislang immer nur getan hatten, wenn sie in die Kirche gingen. Ich war zwar kein Kleiderexperte, aber sein Anzug sah teuer aus, und ich konnte erkennen, dass Mr. Ashtons Hemd nicht selbstgenäht war.
    Ich war so sehr damit beschäftigt, all die teuren Sachen zu bemerken, dass mir gar nicht auffiel, wie wenig die Ashtons eigentlich miteinander sprachen.
    Ungefähr nach der Hälfte des Essens brach Mr. Ashton die Stille und verkündete, dass er eine Überraschung hatte. Er musste beruflich nach Süd-Kalifornien und wollte die Familie mitnehmen, damit sie alle gemeinsam für eine Woche nach Disneyland fahren konnten. Taylor war davon allerdings nicht im mindesten begeistert, was mir völlig unverständlich war. »Ach, jetzt hör aber auf«, sagte er mit wütendem Gesicht, »nicht schon wieder. Ich habe es so satt, dahinzufahren.«
    Ich konnte es einfach nicht fassen. Wie oft waren sie denn schon dort gewesen? Welches Kind hatte es jemalssatt, nach Disneyland zu fahren? »Wenn ihr hinwollt, macht das ruhig«, fuhr Taylor fort. »Aber ich bleibe zu Hause.«
    Für einen kurzen Moment herrschte ein peinliches Schweigen. Ich rechnete damit, dass Taylor die Jetzt-hörmir-mal-gut-zu-junger-Mann-Standpauke gehalten bekommen würde, wie es nach einer solchen Bemerkung bei uns der Fall gewesen wäre, aber sie blieb aus. Stattdessen erwiderte Taylors Mutter nur: »Na ja, wenn dir das lieber ist.«
    Wie bitte? Diese Familie war einfach unglaublich!
    »Also, wenn das dein Wunsch ist, Taylor«, sagte sein Vater und starrte dabei weiter auf seinen Teller herab, »dann habe ich da nichts dagegen. Ich möchte dich auf gar keinen Fall irgendwo hinter mir herschleifen, wo du gar nicht hinwillst. Vielleicht finden wir ja etwas, wo wir später im Sommer gemeinsam hinfahren können.«
    Ich hätte am liebsten geschrien: »Sie können mich gern hinter sich her schleifen!«, aber ich glaube, ich befand mich immer noch in einem Schockzustand. Das lag nicht nur daran, dass Taylor keine Lust auf Ferien in Kalifornien verspürte, sondern dass er seinen Eltern außerdem gesagt hatte, dass er lieber zu Hause blieb, und sie zugestimmt hatten! Er

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