Der Weihnachtswunsch
Friedensnobelpreises verwendet werden solle.«
»Das wusste ich nicht.«
»Es ist wahr.« Kier rieb sich das Kinn. »Ich weiß, es klingt beinahe so, als würde ein Drogenhändler sein Geld einer Suchtklinik überlassen. Jedenfalls haben Nobel und ich etwas gemeinsam. Wir haben beide einen Weg verlassen, auf dem wir eine Spur des Leids hinter uns hergezogen haben, und wir haben beide noch vor unserem Tod einen Blick auf unsere Hinterlassenschaft werfen können.
Das ist ein Segen, wirklich. Schmerzlich, aber durchaus von Nutzen. Es ist, als könne man sein Zeugnis zu einem Zeitpunkt sehen, an dem man die Zensuren noch ändern kann.« Er richtete den Blick kurz zu Boden. »Ich weiß, was Sie über mich denken, oder zumindest, was Sie über mich denken sollten. Ich habe Menschen verletzt. In der Bibel – ja, ich habe die Bibel gelesen; ich bin einst sogar Diakon gewesen –, in der Bibel heißt es, dass der wahre Glaube darin besteht, den Witwen und Waisen zu helfen. Ich habe beide auf die Straße gesetzt. Ich habe das Gegenteil vom wahren Glauben gelebt. Ich bin kein guter Mensch.«
Er sah Linda an, unsicher, wie sie es aufnehmen würde.
Sie saß schweigend da, die Hände im Schoß gefaltet.
»Sie brauchen mir nicht zu widersprechen«, erklärte er, obwohl sie keinerlei Anstalten dazu machte. »Nein, ich bin kein guter Mensch. Sie hingegen sind es.« Er beugte sich vor. »Sie sind freundlich und nachsichtig und bemerkenswert selbstlos. Sie arbeiten fünfundvierzig, fünfzig Stunden die Woche. Dann gehen Sie nach Hause und versorgen Ihren Mann und Ihren Sohn. Ich würde darauf wetten, dass Sie mir noch nicht einmal sagen könnten, wann Sie das letzte Mal etwas nur für sich selbst getan haben.« Sie erwiderte nichts. »Das können Sie nicht, oder?«
»Ich habe am vergangenen Wochenende ein langes Bad genommen.«
»Genau das, was ich sage.« Er stand auf und ging wieder zu ihr. »Aus diesem Grunde wollte ich mit Ihnen reden. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Was für eine Art von Hilfe?«
»Sie und ich arbeiten schon lange zusammen. Sie wissen mehr über mich als jeder andere. Sie wissen über jedes Treffen Bescheid, das ich je hatte, über jedes Telefonat, das ich je geführt habe. Sie kennen meine eigenen Kunden besser, als ich es tue. Sie haben ihnen in meinem Namen Geburtstags- und Hochzeitsgeschenke geschickt. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie verheiratet sind, und Sie haben ihnen zu ihren Jubiläen Blumen geschickt. Stimmt’s?«
Sie nickte.
Er senkte die Stimme. »Sie kennen auch die Menschen, denen ich wehgetan habe, nicht wahr?«
Nach einem Moment nickte sie. »Ja.«
»Sie sind seit einer langen Zeit bei mir, Linda. Sie haben miterlebt, wie ich mich verändert habe – nicht nur in geschäftlicher Hinsicht, sondern auch innerlich. Sie haben erlebt, wie mein Sohn aufgewachsen ist, ohne dass er jemals wirklich einen Vater gehabt hätte. Sie haben erlebt, wie meine Ehe scheiterte. Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, Sie sind die Zeugin meines Lebens. Dadurch sind Sie in einer einzigartigen, wenig beneidenswerten Position.« Er hockte sich vor sie hin. »Aus diesem Grunde brauche ich Ihre Hilfe. Ich möchte, das Sie eine sehr spezielle Liste für mich aufstellen.«
Linda hob die Augenbrauen. »Eine Liste?«
»Ich brauche die Namen aller, denen ich etwas angetan habe, und eine Aufstellung meiner Vergehen. Und ich muss wissen, wo diese Leute jetzt sind. Ich will es an ihnen wiedergutmachen.« Er schlug die Augen nieder, als sei ihm das Gewicht seiner Worte gerade erst bewusst geworden. »Ich will die Dinge, wenn möglich, wieder in Ordnung bringen.« Er sah Linda wieder an. »Werden Sie mir helfen?«
»Wann soll ich anfangen?«
»So schnell wie möglich. Ich habe bereits zu viel Zeit vergeudet.«
Sie dachte darüber nach und sagte dann: »Ich kann das machen. Wünschen Sie sonst noch etwas?«
»Nein, ich denke, das ist fürs Erste genug.«
Sie stand auf. »Dann hol ich jetzt wohl besser Mason und fahre heim zu Max.«
Kier erhob sich ebenfalls. Er legte eine Hand auf ihre Schulter, zog sie aber schnell wieder zurück, da er bemerkte, dass ihr das Unbehagen bereitete. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Gern geschehen, Mr Kier. Wir sehen uns dann morgen.« Sie verließ das Büro und rief nach ihrem Sohn. »Komm, Mason. Es ist Zeit, nach Hause zu fahren.«
Kier setzte sich wieder und dachte über das Versprechen nach, das er gerade gegeben hatte. Er fragte sich, ob er stark genug sei, es zu
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