Der Weihnachtswunsch
»Ich weiß, dass du mich nicht magst, Jimmy. Ich verstehe das. Ich mochte meinen Vater auch nicht. Ich bin noch nicht mal zu seiner Beerdigung gegangen. Als ich noch jünger war, hatte ich vor, eine andere Art von Vater für dich zu sein, aber offensichtlich bin ich gescheitert. Ich bedaure es, dass ich nicht zum Begräbnis meines Vaters gegangen bin. Aber noch viel mehr bedaure ich, dass ich nicht der Vater gewesen bin, den du gebraucht hast.«
In diesem Moment kam Jimmys Zimmergenosse herein.
»Hey, Jimmy, irgend so ein alter Heini hat …« Er hielt inne, als er Kier bemerkte.
»Könntest du uns noch einen Augenblick allein lassen?«, sagte Jimmy.
»Kein Problem.« Er ging hinaus.
Kier schaute ihm nach und wandte sich dann wieder Jimmy zu. »Wenn du je irgendetwas brauchst, ruf einfach an. Ich komme vielleicht zwanzig Jahre zu spät damit, aber an diesem Punkt ist das alles, was ich tun kann.«
Jimmy antwortete nicht.
»Pass auf dich auf.« Kier ging zur Tür. Dann sah er sich um, und ihre Blicke trafen sich. »Ich hoffe, du findest einen Weg, mir eines Tages zu verzeihen.« Er wandte sich ab und verließ das Zimmer.
Als Kier auf die Straße trat, empfand er eine überwältigende Trauer. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sein Sohn ihm entgegengerannt war. Und nun konnte Jimmy es nicht erwarten, dass sein Vater verschwunden war.
Was würde ich nicht alles für eine zweite Chance geben!, dachte Kier, während er ein Taxi heranwinkte.
Zweiunddreißigstes Kapitel
Es lag über neun Jahre zurück, dass bei Lindas Mann Max Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Die Krankheit war anfangs relativ langsam fortgeschritten. Sie machte sich vor allem durch Taubheit der Gliedmaßen und eine allgemeine körperliche Schwäche bemerkbar. Nach sechs Jahren jedoch schritt sie schneller voran und fesselte Max an den Rollstuhl. Seit fast zweieinhalb Jahren fuhr Linda in der Mittagspause nach Hause, um ihren Mann zu versorgen.
Es war zwölf, und sie wollte gerade das Büro verlassen, als das Telefon klingelte.
»Kier Company, Sie sprechen mit Linda Nash.«
»Linda? Hier ist Sara.«
Linda lächelte. »Sara, es ist wunderbar, von Ihnen zu hören.«
Seit Linda für James Kier arbeitete, hatte sie beinahe täglich mit Sara gesprochen, aber inzwischen war eine lange Zeit vergangen, seit Sara das letzte Mal im Büro angerufen hatte. »Wie geht es Ihnen?«
»Ich bin noch immer da, danke. Und wie geht es Max?«
Linda seufzte leicht. »Nicht so gut. Vergangene Woche haben sie noch mal eine MRT bei ihm gemacht. Sie haben drei weitere Rückenmarksläsionen bei ihm gefunden.«
»Sagen Sie ihm, dass ich ihn in meine Gebete einschließen werde.«
»Danke, das werde ich. Und wir schließen Sie in unsere Gebete ein, Sara. Rufen Sie an, um mit Mr Kier zu sprechen? Im Moment ist er nämlich nicht da.«
»Eigentlich habe ich angerufen, um mit Ihnen zu sprechen. Ich muss wissen, was mit Jim los ist.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er verhält sich merkwürdig. Vergangene Woche hat er zu mir gesagt, dass er die Scheidungsunterlagen nicht unterschreiben will, und gestern ist er nach Boston geflogen, um Jimmy zu besuchen. Er hat sogar versucht, bei einer früheren Freundin von mir, mit der er vor Jahren Geschäfte gemacht hat, einen Schaden wiedergutzumachen.«
»Estelle Wyss.«
»Ja. Sie wissen davon?«
»Mr Kier hat sich mehreren Leuten gegenüber um Wiedergutmachung bemüht.«
»Um Wiedergutmachung? Warum?«
»Es hat mit diesem Nachruf in der Zeitung angefangen. Es hat ihn ziemlich erschüttert, was er in den Online-Kommentaren dazu gelesen hat. Er hat sich zu einer Veränderung entschlossen.«
Sara dachte über das Gehörte nach. »Hat er sich entschlossen, sich selbst zu ändern oder das, was sie über ihn denken?«
»Das weiß ich nicht.«
»Benachrichtigen Sie mich, wenn Sie es wissen? Es ist sehr wichtig für mich.«
»Ja, das verspreche ich.«
»Danke, Linda. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, wäre es mir lieber, dass Jim von meinem Anruf nichts erfährt.«
»Ich verstehe. Und es ist schön, dass ich mit Ihnen gesprochen habe. Passen Sie auf sich auf.«
»Sie auch auf sich. Grüßen Sie Max und Mason herzlich von mir.«
Linda legte langsam den Hörer auf die Gabel, und ihr wurde bewusst, wie sehr sie Saras Anrufe vermisst hatte. Sie dachte über Saras Frage nach: Versucht er, sich selbst zu ändern, oder nur das, was die Leute über ihn denken?
Sie fragte sich, ob ihr Chef die Antwort überhaupt selbst
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