Der Weihnachtswunsch
Ihrer Frau sagen«, erwiderte der Arzt und verließ den Raum.
Kiers Beine gaben nach. Er setzte sich wieder hin. Zwei, drei Wochen? Alles schritt viel zu langsam voran. Alles, außer Krebs.
Er fühlte sich noch immer schwach auf den Beinen, als er zu seinem Wagen ging. Während er vom Parkplatz fuhr, klingelte sein Telefon. Es war Lincoln. Der Mann ist gnadenlos, dachte Kier. Er meldete sich, und ohne darauf zu warten, dass Lincoln sprach, sagte er: »Hier ist einer für Sie, alter Knabe: Der Teufel besuchte einen Anwalt in dessen Büro und machte ihm ein Angebot. ›Ich erhöhe Ihr Einkommen um das Zehnfache, gebe Ihnen vier Monate Urlaub pro Jahr, und Sie werden hundert Jahre alt, werden aber nie älter als dreißig aussehen und sich auch nie älter fühlen. Alles, was ich dafür als Gegenleistung verlange, ist, dass die Seele Ihrer Frau auf alle Ewigkeit in der Hölle vor sich hin rottet.‹
Der Anwalt dachte darüber nach und fragte dann: ›Wo ist der Haken?‹«
Kier legte auf, bevor Lincoln etwas sagen konnte, schaltete sein Handy aus und fuhr los, um Sara zu besuchen.
Fünfunddreißigstes Kapitel
Was einst zu seinem Alltag gehört hatte, fühlte sich jetzt merkwürdig unnatürlich an. Kier war schon sieben Monate nicht mehr zu Hause gewesen, in Saras Zuhause. Als er das letzte Mal dort gewesen war, hatten sie noch nicht einmal miteinander gesprochen. Er hatte die letzten Kartons mit seinen Habseligkeiten hinausgetragen, während sie ihm schweigend hinterhergesehen hatte. Er erinnerte sich, dass sie sich verstohlen eine Träne von der Wange gewischt hatte. Jetzt wünschte er, dass sie miteinander gesprochen hätten, selbst wenn sie ihn nur angeschrien hätte. Das wäre besser gewesen als nichts.
Die Dämmerung hatte eingesetzt, und die vertraute Nachbarschaft wurde durch viktorianische Straßenlaternen beleuchtet, die mit funkelnden weißen Lichterketten geschmückt waren. Die Sockel standen teilweise in Schneewehen, welche die Höhe von Lattenzäunen hatten. Die Häuser in der Straße wetteiferten jedes Jahr heimlich mit hell erleuchteten, kunstvoll gestalteten Weihnachtsdekorationen.
Kier war froh, dass kein Auto in der Auffahrt stand. Beth hätte sicher versucht, ihn von Sara fernzuhalten.
Er fuhr vor und ging zum Haupteingang. Gerade wollte er aufschließen, als er innehielt. Er fühlte sich plötzlich wie ein Hausierer, der an ein Haus mit einem »Betteln und Hausieren verboten«-Schild geraten war. Statt aufzuschließen, klingelte Kier.
Es dauerte einige Minuten, bevor Sara öffnete. Im Haus war es dunkel, aber er konnte sie deutlich genug sehen, um die Überraschung in ihrem Gesicht ebenso zu bemerken wie ihre Erschöpfung. Sie starrte ihn einfach nur an.
Kier ergriff als Erster das Wort. »Können wir reden?«
»Nein.« Sie machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen, aber er streckte die Hand aus und hinderte sie daran.
»Sara, bitte!«
»Was willst du von mir?«
»Ich will einfach reden.«
»Worüber?«
»Über uns.«
»Es gibt kein uns , Jim. Bitte lass meine Tür los.« Sie versuchte, die Tür zuzudrücken, aber ihr fehlte die Kraft dazu.
»Ich muss dir sagen, wie leid es mir tut.«
»Warum? Weil ich sterben werde? Damit du dich reinen Gewissens von mir scheiden lassen kannst?«
»Nein. Weil ich dich liebe.«
Sara begann zu weinen. »Sag das nicht! Du kannst das jetzt nicht sagen.«
»Es ist wahr.«
»Warum warst du bei meinem Arzt? Mein Leben geht dich nichts an.«
»Ich musste wissen, wie es dir wirklich geht.«
»Mein Tod geht dich ebenfalls nichts an.«
Kier konnte nichts darauf antworten.
»Also jetzt weißt du es«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Bitte lass meine Tür los.«
Er zog die Hand weg, und sie schlug die Tür zu und verriegelte sie.
Er schrie durch die Tür: »Sara, ich weiß, dass du mich liebst.«
»Nein, das tu ich nicht«, schrie sie zurück.
»Ich habe gesehen, was du unter meinen Nachruf geschrieben hast.«
Plötzlich ging die Tür wieder auf. Saras Gesicht flammte vor Zorn. »Ich habe dich geliebt, Jim. Ich habe dich von ganzem Herzen geliebt. Und du hast mich verlassen. Du hast mich verlassen, als ich dich am meisten brauchte. Es ist zu spät, es ist zu spät. Du kannst nicht zurückkommen.«
Erneut drückte sie die Tür zu und verriegelte sie.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite öffnete sich eine Tür, jemand blickte heraus, und die Tür schloss sich wieder. Kier brach in Tränen aus.
»Ich will nach Hause kommen, Sara. Ich
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