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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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einem Kino-Epos, inszeniert von irgend jemandem, dem es egal war, was darin vorkam, solange nur die Klebestellen zusammenhielten.
    Warum kann ich nicht schlafen? Er wälzte sich auf die andere Seite, schaute zum Magnumauto hinüber und blinzelte, bis er die verschwommenen Umrisse des Vehikels erkennen konnte. Und plötzlich wußte er es.
    Jemand hatte den Raum betreten.
    Francis spürte, daß sich sein Magen loslöste und nach unten fiel. Sein erster Impuls war, laut zu schreien und seine Freunde zu wecken. Aber irgend etwas hinderte ihn daran. Mysteriöserweise verließ ihn das Entsetzen genauso schnell, wie es ihn befallen hatte. Es ist wahr, sagte er sich. Ich bin Burne viel ähnlicher, als ich dachte.
    Der Fremde war kein Wilder, sondern ein alter Mann in dunkeln Kleidern. Er saß auf einem Sessel – hoch aufgerichtet und gelassen, mit einem dichten weißen Bart, der in einer perfekt geformtenSpitze endete, und konzentrierte sich so intensiv auf die Bewegungen seiner Hände, daß er weder Francis noch das Magnumauto wahrzunehmen schien. Langsam und sorgfältig, mit Hilfe seiner schlanken Finger und einer Zunge, die sich fest gegen die Oberlippe preßte, bastelte der Mann ein kompliziertes Gespinst aus Garn, Häuten und biegsamen Holzstäben.
    Francis wußte sofort, daß dieses Gebilde keinem praktischen Zweck dienen sollte. Es existierte nur, um zu faszinieren. Seine geometrische Schönheit erinnerte Francis an seine Lieblingsinsektenmeisterwerke – den Flügel der Whiskymotte, das Netz des Gorgathons und das Netz der Sumpfblattlaus.
    Träume ich?
    Trotz des schwachen Luminonlichts leuchtete die Gestalt des Bildners erstaunlich hell. Sie pulsierte, verströmte Schleierschwaden, die aus getrocknetem Eis zu bestehen schienen. Die Atmosphäre verdichtete sich, nahm den Geruch brennender Haare an.
    An der Westwand materialisierte sich eine zweite Erscheinung, ein rothaariger Junge, sommersprossig und lebhaft, mit einer weißen Leinenhose bekleidet, einen Stab in der Hand, mit dem er einen Reifen vor sich her rollte. Er spielte voller Hingebung, hatte für nichts Augen außer für sein Vergnügen. Als er das Magnumauto erreichte, ging er hindurch wie ein Vogel durch Nebelwolken.
    Die Szenerie gebar neue Einzelheiten. Unter dem Sessel des Bildners entstand ein grasbewachsener Hügel, gesäumt von Blumen, in Sonnenlicht getaucht. Und wo der Junge eben noch gestanden hatte, manifestierte sich ein zweiter Künstler, ein Aquarellmaler.
    Der Reifen rollte direkt auf den Bildner zu, den Jungen im Schlepptau. Er traf das Gespinst, zerriß ein Spannseil und sprang davon. Francis hörte ein heiseres Keuchen.
    Die überraschende Drehung des Reifens holte den Jungen in die Wirklichkeit zurück. Er kämpfte gegen die Schwerkraft seiner Beine an, und sein Körper, der ihm entflohen war, stürzte nach vorn. Sekundenlang knisterte die Luft, mit einem Geräusch, das an heiße, sprudelnde Brühe erinnerte, und das Gespinst lag flach auf dem Boden, ein Wrack aus gesplittertem Holz und verschlungener Wolle.
    Der Bildner näherte sich dem Jungen, als wolle er ihm auf die Beine helfen. Staunen und Wut röteten das Gesicht des Kindes, und die Sommersprossen verschwanden.
    Francis erwartete, daß der Bildner dem Übeltäter verzeihen würde. Normalerweise machen alle Künstler einen Unterschied zwischen mutwilliger Nachlässigkeit und Sorglosigkeit. Aber der Bildner vergab dem Jungen nicht, und er machte auch keinen solchen Unterschied. Statt dessen stellte er mit methodischer Genauigkeit einen Stiefel auf den Mund des Kleinen und benützte den anderen Stiefel, um ihm in die Rippen zu treten, gegen jede einzelne.
    Francis war so verblüfft, daß er sich weder bewegte noch aufschrie. Sogar auf Carlotta erschien ihm eine solche Greueltat unmöglich.
    Sobald der Junge tot war, hörte alles auf, sich zu bewegen. Die Blumen neigten sich nicht mehr in der Brise, das Gras bebte nicht mehr, der Maler erstarrte. Der Bildner hatte sich in ein Monument der Grausamkeit verwandelt, und sein Gesicht war zu einem häßlichen Lachen verzerrt, der Fuß berührte immer noch den Körper des Jungen.
    Ein grotesker Belag überzog die Statue wie dunkles Moos. Die Szene begann zu zerschmelzen, wurde bald von einem Flickwerk aus schwarzen Pfützen verdrängt. Und die Pfützen bewegten sich wie Amöben, schienen einander zu suchen.
    Eine Pfütze glitt unter das Magnumauto und ergoß sich in den Tunnel. Die anderen versammelten sich in der Mitte des Raumes,

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