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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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eines Spezimen-Gefäßes ab. Der Boden bestand aus Erdreich.
    Luther ging zur Südwand, berührte vorsichtig die Fläche. »Transpervium«, lautete sein Urteil. »Vermutlich aus der Eden Drei.«
    Transpervium, ein veralteter synthetischer Stoff, war früher zur Herstellung von Raumschiffbullaugen verwendet worden. Es widerstand Meteorschauern, intensiver Radiation, Laserstrahlen und fast allem, was man dagegen warf. Von der einen Seite betrachtet, war das Transpervium so dumpfgrau wie Blei, von der anderen durchsichtig wie ein Fenster. Die graue Seite starrte die Wissenschaftler spöttisch an. Welche Wunder auch immer dahinter verborgen liegen mochten – sie würden für diese Nacht unsichtbar bleiben.
    Der Raum mißfiel Francis. Diese sterile Symmetrie ließ ihn frösteln. Und die unendliche Undurchdringlichkeit gab ihm das Gefühl, in einem blinden Menschenauge gefangen zu sein. Soweit er es feststellen konnte, bestand die einzige Tugend des Raumes darin, daß er kein Magnumauto war.
    Er blickte auf das Magnumauto, das wenigstens einige sichtbare Merkmale aufwies – Lichter, Gleitflächen, eine Sichtblase und natürlich den Bohrer, der wie eine aufgerichtete Brustwarze herausragte, eigens dazu entworfen, irgendeine ungeheuerliche Kriegsmaschine zu säugen. An der Stelle, wo das Magnumauto in den Raum geschossen war, gähnte ein Loch, zwischen der Südwand und dem Zentrum des Bodens.
    Ollies Käfig eng an sich gepreßt, trat Francis gegen die nächstbeste Wand. »Ich glaube nicht, daß man Transpervium zerbrechen kann«, sagte er müde.
    »Eher kannst du Marmor durchbeißen«, erwiderte Luther.
    Burne schenkte Francis ein boshaftes Lächeln. »Vielleicht könnte sich ein Cortexclavus hindurchfressen. Sollen wir mal seinen Rüssel testen?«
    Francis drückte den Käfig noch fester an seinen Bauch. »Wie kannst du so was auch nur denken! Du würdest ihn beschädigen!«
    Als Alternative zog Burne sein Fermentgewehr hervor und feuerte ziellos auf die Nordwand. Hilflos prallte die Kugel davon ab, wie eine Schmeißfliege, die gegen eine Sichtblase stieß.
    »Wir haben uns unter das Flußbett gegraben und sind weitergefahren«, murmelte Luther automatisch. »Wir sind ganz schön weit gekommen, und wir werden nicht in diesem gottverdammten Kristallhaus versauern.«
    »Ich glaube, ich muß euch mal dran erinnern, daß wir alle zum Umfallen müde sind«, sagte Burne. »Ich schlage vor, daß wir hier unser Lager aufschlagen und uns erst mal ausschlafen…«
    »Aber vorher müssen wir das da zumachen.« Luther deutete auf den aufgerissenen Boden. »Diese Wilden sind nicht so manierlich, daß sie unser Schlafbedürfnis respektieren würden.«
    Sie schwitzten und keuchten, bis das Magnumauto endlich das Loch blockierte. Wenn der Raum nun wie die Achselhöhle eines Mistkäfers roch, so störte das Francis nicht. Zum erstenmal seit Tagen hatte er das Gefühl, daß kaum irgend jemand Lust dazu haben könnte, ihn zu verspeisen.
    Das Dinner war karg. Es gab Trockenfrüchte, Trockenfisch, gefriergetrockneten Kaffee. Beim Essen wurden nur siebzehn Wörter gesprochen. »Glaubt ihr, daß irgend jemand diesen Raum gebaut hat?« fragte Francis, und Burne erwiderte: »Glaubst du, daß Gott die ungekürzte Division beherrscht?«
    Als wolle er sich einreden, daß er sich in einem gemütlichen Nerdenschlafzimmer befand und nicht in einer öden Krypta auf Carlotta, legte jeder Mann sorgfältig seinen Schlafsack in eine Ecke und häufte seine Habseligkeiten daneben auf – Elektrostift, Armbanduhr, Tragriemen und so weiter – wie auf der Platte eines imaginären Nachttischchens. Burne schaltete das Luminon herunter, so daß es nur noch einen Hauch von Licht verströmte. Nach wenigen Minuten hallte ein Schnarchkonzert von den Transperviumwänden wider.
    Nur Francis schnarchte nicht und fragte sich: Warum kann ich nicht schlafen?
    Offenbar war sein Körper wieder in einer von jenen Stimmungen und demonstrierte, wie hellwach er war, indem er die Augen so weit wie möglich aufriß. Eine Stunde schleppte sich schnarchend dahin. Der Korkenzieherkäfer irrte in seinem Käfig umher.
    Fragmente aus Francis’ Leben sprangen in sein Gehirn und wieder hinaus. Er hatte seine Insektensammlung und seinen Sohn verloren und den Cortexclavus gefunden und herausgefunden, daß er Diabetes hatte. Die hübsche Darlene Spinnet unterrichtete weiter unten am Flur Biochemie. Der hübschen Kappie McKack hatte man den Schädel ausgesaugt. Francis verglich sein Leben mit

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