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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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vereinten sich wie Quecksilbertropfen, bildeten einen Teich. Langsam sickerte der Teich, der zum Mörder geworden war, durch den Boden und verschwand.
    Überrascht fühlte Francis, daß er nun schlafen konnte.

Am nächsten Morgen sahen sie, daß sich Francis’ Traum durch die Gleitfläche des Magnumautos gefressen hatte.
    »Da!« sagte er und zeigte auf die gezackten Enden der Makroplastik. »Das beweist doch, daß ich mir das alles nicht eingebildet habe!«
    »Leider beweist es nichts dergleichen«, entgegnete Burne. Er kniete neben dem Auto und sah, daß das Metall an der Unterseite unversehrt war.
    »Aber es war so real!«
    »Ich vermute, daß während der Nacht ein bißchen Flüssigkeit aus dem Burggraben hier eingedrungen ist und die Gleitflächen zerstört hat. Ein Glück, daß sie uns nicht erwischt hat!«
    »Zähl lieber mal deine Zehen«, schlug Luther vor.
    Burne riß ein Stück von einer Gleitfläche herunter. »Wir haben mindestens ein Dutzend Einzelteile verloren. So viele, daß wir die Gleitflächen nicht reparieren können.«
    »Schon gar nicht ohne Vulkanisierbrenner.« Luther kauerte neben Burne, in so intensiver Konzentration, daß sein Unterkiefer herabhing.
    »Sieht so aus, als wäre das Loch für alle Zeiten versperrt.« Burne stemmte sich gegen das Auto, konnte es aber um keinen Millimeter zur Seite rücken. »Wer immer letzte Nacht hier war – vorausgesetzt, Dr. Lostwax hat wirklich Leute gesehen, was ich stark bezweifle –, ist nicht durch den Tunnel gekommen.«
    Luther erhob sich und trommelte gegen die Westwand, lauschte auf die Geräusche eventueller Geheimtüren. »Was meinst du mit real, mein Sohn? Meinst du, daß es so real war wie in einem Theaterstück?«
    »Ja«, antwortete Francis. »Oder wie in einem Kino-Epos.«
    »Kino-Epen sind nicht real.«
    »Dieses aber war real.«
    »Warum hast du uns nicht geweckt?«
    »Ich weiß nicht… Zuerst kam mir das Ganze nicht bedrohlich vor.«
    »Du meinst – es war wie in einem Traum?«
    »Nein.«
    »Wie war es dann?«
    »Wie – eine Halluzination.«
    »Nur damit ich das richtig verstehe«, sagte Luther sarkastisch.
    »Es war wie ein Kino-Epos, aber nicht wie ein Traum, dafür aber wie eine Halluzination…«
    Francis sah ein, daß er nicht sonderlich überzeugend wirkte. »Also gut, lassen wir das. Was nun?«
    »Zuerst müssen wir uns klarmachen, daß unser Magnumauto zur Zeit sowohl ein Krüppel als auch eine Bürde ist.« Burne richtete sich keuchend auf. »Also müssen wir das Ding hier stehenlassen und unsere Reise zu Fuß fortsetzen.«
    »Und wohin wollen wir gehen?«
    »Wir könnten versuchen, mit meiner Schaufel einen Fluchtweg zu graben. Aber wir wissen nicht, wie tief das Transpervium in den Boden hinabreicht. Außerdem haben wir keine Garantie dafür, daß wir nicht in einen ähnlichen Raum geraten würden. Ich schlage also vor, daß wir auf dem Weg zurückgehen, den wir gekommen sind, bevor er blockiert wird.«
    »Und dann?«
    »Dann folgen wir der Mauer.«
    Luther holte seine Lieblingspfeife hervor und steckte sie zwischen die Lippen. »Ich habe über diese Mauer nachgedacht. Sie sieht fest und gut erhalten aus, also würde ich sagen, daß die Zivilisation, die sie geschaffen hat, immer noch existiert.«
    »Und hier mögen sie die Wilden ebensowenig wie wir«, meinte Burne. »Sie laden sie niemals ein.«
    »Wenn wir also an der Mauer entlanglaufen, begegnen wir vielleicht einem Reparaturteam«, hoffte Francis. Sogar er fand diesen Plan vielversprechend.
    Das Frühstück bestand aus aretianischen Reptileiern, die offenbar befruchtet worden waren. Schöne embryonale Schildkröten und Eidechsen saßen auf Francis’ Teller und starrten anklagend zu ihm auf. Er aß sie mit abgewandtem Blick. Auf der Nerde wurden die Tiere nur in ausdruckslosen Kompositionen, ohne vorwurfsvolle Augen serviert. Man brauchte niemals das Leben als Ganzes zu schlucken.
    Burne ordnete eine Inventur an. Die Männer brachen ihr Lager ab und räumten das Magnumauto aus. Schlafsäcke, Kissen, Kleider, Kelvin-Hülse, Bratpfannen, Messer, Gabeln, Löffeln, Feldflaschen, Konservendosen, Trockennahrung, Gesteinsproben, Bodentestkästen, Wistar-Stäbe, Proximaskope, Kameras, Kompasse und Luminons breiteten sich von einer gläsernen Wand bis zur anderen aus.
    Man legte die Sachen auf zwei Haufen – dies sollte mitgenommen und jenes zurückgelassen werden. Wie Burne erklärt hatte: »Je weniger wir schleppen müssen, desto schneller kommen wir voran, und desto

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