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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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keine irrelevante Verirrung der Natur, keine fremde Spezies, die nichts mit der menschlichen Rasse zu tun hatte, sondern die Neurovoren und die Quetzalianer gehörten derselben Rasse an.
    Tez zitterte. Sie hätte es vorgezogen, mit einem karzinogenen Virus verwandt zu sein.
    Die reine Logik sagte den Quetzalianern natürlich, daß Gehirnfresser niemals den habgierigen Inhalt des Burggrabens und die unermeßlichen Höhen der Mauer besiegen und über die Zivilisation herfallen könnten. Aber bei der Vorstellung, daß auch nur einem einzigen Neurovoren durch irgendeinen Trick der Natur oder eine Glücksträhne gelingen könnte, in Quetzalia einzudringen, machte sich die reine Logik in die Hosen und ergriff die Flucht. Die konservative Mehrheit war glücklicherweise davon überzeugt, daß die Neurovoren niemals eine Kultur entwickeln könnten, in der Brücken und Leitern entstehen würden, wenigstens nicht innerhalb der nächsten achtzig Generationen. Und danach müßten sich andere Leute mit diesen Problemen befassen.
    Doch der unheimliche, insektensummartige Lärm verstummte nicht.
    Tez kehrte zum Waldrand zurück und hielt unter einem Baum inne. Sie pflückte einen roten, matschigen Verwandten des Erdenapfels, den vergessenen Zögling irgendeines Hobbybotanikers. Da sie fürchtete, in ihrer Nervosität daran zu ersticken, gab sie die Frucht ihrer Lipoca-Stute, die gierig zu fressen begann und höflich den Worten lauschte, die sie nicht verstand.
    »Mixtla, meine Freundin«, lauteten die Worte. »Was für ein außergewöhnlich dummes Ding du doch bist! Du hast die geistige Potenz eines Brokkolis, und das stört dich nicht einmal. Aber irgendwo in den Tiefen deines absurden kleinen Gehirns hörst du dieses Geräusch und…« Jetzt begann Tez zu stottern. »… und du spürst, daß es eine Veränderung ankündigt, die uns alle betreffen wird…«
    AAARRRRRRRNNNNNNNNNNN. »Weißt du, was ich glaube, Mixtla?« Die Angst verzerrte ihr leichtfertiges Geschwätz zu einem grotesken Wispern. »Ich glaube, wir haben Besuch aus dem Weltall.«

AAARRRRRRRNNNNNNNNNNN. Sie waren im Erdreich untergetaucht. Immer tiefer sank das Magnumauto. Es war eine seltsame Stop-Start-Vorwärts-Rückwärts-Bewegung, mit der sie ihre Reise fortsetzten. Die große Bohrmaschine würgte geräuschvoll an Carlottas Schlamm.
    Ausgerechnet Francis hatte dieses Manöver angeregt, indem er geistesabwesend erklärte, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, den Burggraben zu überqueren, müßte man eben darunter durchfahren. Burne leistete einen praktischen Beitrag, indem er sich erinnerte, daß der Rüssel des Magnumautos über ein durchlöchertes Zusatzteil verfügte, das Erde schlucken, kauen, komprimieren und mit solch wunderbarer Geschwindigkeit wieder ausstoßen konnte, das aus dem Loch im Erdreich ein fester Tunnel entstand. Er hatte diese Vorrichtung bisher nur ein einziges Mal benutzt, um einen Riesenbaum auf Kritonia zu durchbohren. Der Durchmesser dieses Baumes, der ein gewisses Quantum an Unsterblichkeit besaß, maß zwei Kilometer.
    Francis litt nur ein klein wenig mehr unter dieser Fahrt, als er sich das vorgestellt hatte. Er fühlte sich wie in einer Gruft, als er so dasaß, das Gesicht der Hinterfront des Autos zugewandt, Ollies Glaskäfig zwischen den Knien.
    »Schlaf nicht ein«, ermahnte ihn Burne. »Sie könnten versuchen, uns zu folgen.«
    »Und was passiert, wenn sie das tun?«
    »Das weißt du doch.«
    Zur Mittagszeit kramte Francis einen getrockneten aretianischen Fisch aus seinem Rucksack, der wie Aspirin schmeckte. Die ungenießbaren Teile schob er zwischen den Gitterstäben hindurch, die den Deckel des Glasmetallkäfigs bildeten. Bevor der Cortexclavus seine Kiefer aktivierte, inspizierte er den Fisch, indem er daraufstieg. Das Insekt konnte mit den Beinen riechen. Francis erinnerte sich, daß er seiner Exgattin Luli von diesem allen Insekten gemeinsamen Talent erzählt hatte, und Luli hatte gar nicht richtig zugehört und erwidert: »Ich bin mit meinem Fuß mal auf was draufgetreten, das ganz sicher gestunken hat.« Francis war der Ansicht, daß dieser Wortwechsel seine Beziehung zu Luli symbolhaft darstellte.
    Das Auto grub sich immer weiter voran, und der Bohrer kreischte wie ein gequältes Tier. Francis beobachtete den zylinderförmigen Tunnel, der hinter ihm zurückblieb, und kam sich vor wie ein Bazillus, der im After eines Korkenzieherkäfers saß. Nach einer Stunde verkündete die Kontrolltafel, daß sie jetzt zwölf Meter

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