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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Hohepriesterin warten zu lassen«, erwiderte Francis.
    Sie eskortierten ihn durch ansteigende Korridore in die strahlende Luft hinaus, die wuchtigen Außenstufen des Hospitals hinab. Ein Wagen wartete am Fuß der Treppe, mit einem schnaubenden, scharrenden Lipoca. Ein Priester, ein dunkelhäutiger Jüngling, übernahm die Zügel, die anderen setzten sich mit ihrer Beute, dem kostbaren Nerdenmenschen, in das Fahrzeug, das über eine breite, staublose Plaza davonratterte. Die Plaza verengte sich zu einem Damm, der zwischen Lagunen mit Trinkwasser hindurchführte.
    »Da sind wir«, verkündete Mouzon.
    »Die Bibliothek von Iztac, der Sonnengöttin«, fügte ein Priester hinzu, dessen Gesicht hauptsächlich aus Bart bestand.
    Ausgestreckte Finger lenkten Francis’ Blick auf eine große abgestumpfte Pyramide, dem Zwillingsbau des Chimec-Hospitals. Die Riesen mit den Steilwänden, Meisterwerke aus kunstvoll gehauenen Steinen, standen einander gegenüber, durch den fünf Kilometer langen Damm verbunden. Kleinere Pyramiden und niedere Steinhäuser warfen dazwischen ihre Spiegelbilder auf glänzende Gewässer.
    »Sie können ihren Tempel auf der Spitze sehen«, fuhr der bärtige Priester fort.
    »Hier herrscht offenbar kein Mangel an Göttern«, meinte Francis.
    »Wir haben deren drei«, erwiderte Mouzon frostig. »Iztac, die Sonnengöttin, Chimec, den Gott des menschlichen Gehirns, und Tolca, den Gott des Friedens.«
    Francis berührte seine Chitzal-Narbe. »Der Tempel von Iztac – der Tempel von Chimec – und wo ist der Tempel von Tolca?«
    Mouzon lächelte arrogant. »Der Tempel von Tolca umschließt uns.«
    Im Inneren des Gebäudes trennte sich die Gruppe. Drei Priester warteten in einem freundlichen, sonnenhellen Vorzimmer, während Mouzon, Francis und der dunkelhäutige Fahrer durch einen Korridor in das zentrale Tempelschiff schritten, das einem Riesenbauch voller Echos glich. Francis kam sich vor wie ein verschluckter aretianischer Fisch. Die Frau, die am anderen Ende des Raumes saß, wirkte ebenfalls verschluckt, doch war sie offenbar schon vor so langer Zeit verschluckt worden, daß sie sich dieser Umgebung angepaßt hatte und dennoch gedieh.
    Vaxcala Coatl gedieh inmitten von Weihrauch und tropfendem Talg. Sie saß auf einem sinnlichen roten Diwan. Die vollgeräumten Kegale hinter ihr enthielten mechanischen Krimskrams und schön gebundene heilige Schriften. Francis entdeckte ein Teleskop, ein Mikroskop und einen Lötkolben. Er überflog die Buchtitel – manche waren ihm vertraut, die meisten nicht. Rig Veda, Die Evangelien, Die Ilias, Das göttliche Gespinst, Janet Vijs vollständige Werke, Biophotonik, Grundlehrbuch der elektrischen Installation…
    Vaxcala war groß und dürr, hatte einen Schwanenhals und unergründliche Augen. Ihr schmales Gesicht, mit einer Nase, die so dünn war, daß man damit Briefe hätte öffnen können, erinnerte an einen bemalten Totenschädel. Ihre langen, kraftvollen Finger waren ständig in Bewegung wie die Beine eines auf dem Rücken liegenden Käfers. Es war unmöglich, ihr Alter annähernd zu schätzen. Irgendwo zwischen vierzig und vierzigtausend…
    »Endlich begegnen wir uns«, grüßte Vaxcala mit einer Stimme, die wie antikes Porzellan klirrte.
    »Wir?«
    »Die Nerde und Quetzalia.« Sie wies auf einen Plüschhaufen aus Lipoca-Wolle, und Francis ließ sich darauf niedersinken. »Wann sind unsere gemeinsamen Ahnen zum letztenmal miteinander über den Planeten Erde gewandert?«
    »Vor vielen Jahrhunderten – nach jedem Kalender. Wie ich von Dr. Mool erfahren habe, ist der Ihre perfekt.«
    »Ja… Natürlich ist alles, womit Mool sich befaßt, perfekt, oder er würde sich nicht damit befassen. Wenn er sich in die Nase zwickt, fallen wertvolle Münzen heraus. Möchten Sie Tee?«
    »Auf Ihrem Planeten wird der gräßlichste Tee der ganzen Galaxis gebraut«, meinte Francis gutgelaunt. Er mochte diese Vaxcala.
    »Oh, Sie haben dieses Drogenzeug getrunken, mit dem sie im Hospital hausieren gehen. Vermutlich hat man Sie mit heiligen Kräutern vollgestopft.«
    Francis betastete seine Narbe und nickte.
    »Mouzon – würde es Ihnen etwas ausmachen?« Ob es Mouzon nun etwas ausmachte oder nicht – er entfernte seinen massigen Körper aus dem Tempelschiff.
    »Hoffentlich ist Ihnen bewußt, daß durch Ihre Ankunft gewisse Probleme entstanden sind«, sagte Vaxcala. »Um ehrlich zu sein – niemand weiß, was wir mit Ihnen machen sollen, und der Gouverneur schon gar nicht. Die ganze

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