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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Tausende von quetzalianischen Originalmanuskripten, handgeschrieben, von Theaterstücken bis zu Monographien, von epischen Gedichten bis zu Kochbüchern, nicht nach Themenkreisen geordnet, sondern nach dem geschätzten Grad des Wahrheitsgehalts, so daß ein Roman von psychologischem Wert neben einer Abhandlung über Topologie stand, einen halbstündigen Fußmarsch von einem tendenziösen Werk über die sofortige und uneingeschränkte Enträtselung aller Lebensmysterien entfernt.
    Tepec war großartig, von allen Bibliotheksfenstern aus betrachtet – ordentlich, zweckmäßig, riesig. Francis bevorzugte die Aussicht nach Osten, nicht nur, weil sie die grünen Untergänge des göttlichen Sterns einschloß, der dem Gebäude seinen Namen gegeben hatte, sondern auch das Chimec-Hospital. Er hypnotisierte sich selbst mit diesem Ausblick, und er sehnte sich danach, seine Verlegenheit zu überwinden und Dr. Tez Yon zu besuchen.
    Er ging täglich zur Bibliothek, und er bemerkte jedesmal, wie groß der Einfluß von Zolmec auf die Durchschnittsbürger war. Die Kinder tobten wild umher und spielten, aber sie traten sich nicht gegen die Schienbeine, spuckten sich nicht an, bissen sich nicht. Die Eltern durchlitten normale Qualen, umschmeichelten ihre Sprößlinge, machten viel Aufhebens um die Kleinen, schlugen sie aber nie. Athleten steuerten auf selbstgewählte Ziele zu, doch es lag ihnen fern, ihre Gegner zu erniedrigen. Sogar bei Mannschaftsspielen wie Becherball und Flipflop beobachtete Francis keinerlei Neigung zu der »Haut sie nieder«-Mentalität, wie sie von den äquivalenten Nerdenspielen hervorgerufen wurde.
    Und trotzdem war jener Mord geschehen, war ein kleiner Junge in einem Glasraum niedergemetzelt worden. Diese Erinnerung suchte Francis mit grausamer Hartnäckigkeit heim.
     
    Eine Woche nachdem er ins Seminarzentrum gezogen war, ritt Francis über den Westrand von Tepec hinaus bis zu der hohen, ungetünchten Mauer. Er folgte ihr stundenlang, versuchte sich einzureden, daß er nach Insekten fahnde. Doch bald wußte er, was er suchte. Es stand bildhaft vor seinem geistigen Auge, saß surrealistisch neben der Mauer im Sand wie eine große Videophonzelle.
    Erst als Iztac tief über dem Horizont stand und auf der Spitze ihres Tempels balancierte, gestand sich Francis seine Niederlage ein. Er war erschöpft und sattelmüde und bereit zu glauben, daß nicht nur der Mord, sondern sogar der Glasraum nur eine gespenstische Ausgeburt seiner Phantasie gewesen war, entstanden aus seiner Trauer um Kappie McKack. Und dann geschah etwas.
    Der Heimweg führte Francis durch eine Vorortsiedlung namens Motec. Lokaler Stolz ballte sich rings um einen Park – ein schönes Gelände voller zwiebelförmiger Bäume und Hügel mit flachen Gipfeln. Auf einem besonderen Hügel hatten sich Künstler versammelt, experimentierten mit Farbstoffen, übten Pirouetten, schrieben Verse, schufen wunderbare Gebilde aus Garn, Häuten und biegsamen Holzstäben.
    Und ein ganz besonderer Künstler hatte einen üppigen weißen Bart, der sich zu einer perfekten Spitze verjüngte.
    Francis unterdrückte einen Schrei. Vorsichtig näherte er sich dem alten Kindermörder. »Hallo!«
    Der Mörder neigte den Kopf und lächelte liebenswürdig. »Guten Abend.«
    »Ein hübsches Werk. Ich glaube, meine Augen haben sich darin verliebt.«
    »In das da?« Der alte Mann zupfte an dem Gespinst wie auf einer Laute. »Es funktioniert nicht, aber ich weiß Ihr Lob zu schätzen. Normalerweise höre ich keine Kommentare – seltener, als Sie glauben. Die Leute sind so schüchtern.«
    »Oder neidisch?«
    »Sie sind nicht aus dieser Gegend, was? Ich kenne alle, die in den Park kommen.«
    »Nein, ich bin nicht von hier.« Francis hätte beinahe gekichert.
    »Wenn Sie sich verirrt haben, könnte ich eine künstlerische Landkarte für Sie zeichnen.«
    Das hätte ich mir denken können, überlegte Francis. Nach außenhin ist er eifrig bestrebt, den Leuten zu gefallen – und in seinem Inneren lebt wilde Mordlust. »Die Kunst ist ein Segen, nicht wahr?«
    Ich brauche Beweise. »Ich meine, ohne die Kunst wären wir alle Athleten und sonstwas.« Plötzlich wußte er, wie er vorgehen mußte. »Aber ich habe Ihr Werk nicht gepriesen, weil ich freundlich sein wollte. Ich möchte es kaufen.«
    Der Bildner strahlte wie ein nagelneues Luminon. »Wunderbar! Können Sie acht Cortas bezahlen?«
    »Ich möchte es kaufen, damit ich es nach Hause mitnehmen und vernichten kann. Ich möchte darauf

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