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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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mit Ionentreibkraft?«
    Nun meldete sich Mouzon zu Wort. »Der Süddschungel strotzt nur so von Granitpegmatiten, und dort könnte man Polluzit aufstöbern. Wir könnten es auch in den Ripsaw Mountains versuchen.«
    »Sie sind in der Wissenschaft offenbar ebenso bewandert wie in der Religion«, bewunderte Francis.
    »Weshalb denken Sie, daß Zolmec irgend etwas mit Glauben zu tun hat?« fragte Vaxcala. Sie erhob sich, ging zu dem Teleskop, gab ihm einen Schubs, und es rollte in ihre Arme. »Das ist nur zur Reparatur hier. Oben haben wir ein astronomisches Observatorium.«
    Francis war beeindruckt. Auf der Nerde war die Astronomie stets jener Wissenschaftszweig gewesen, den die Religion als schlimmsten Feind betrachtet hatte. Aber es wäre ein Fehler, Vaxcala einen Sieg zu vergönnen. »Das sieht aber wie eine Maschine aus. Haben Sie keine Angst, daß Sie sich infizieren könnten?«
    »Die Geistlichkeit darf alles berühren.« Sie legte den schweren Zylinder auf das Regal zurück. »Wir werden eine Polluzitexpedition organisieren, sobald Sie den Befehl dazu geben.«
    Francis konnte ebensowenig Befehle geben wie Milch. »Danke. Aber wir sollten lieber warten, bis Burne zurückkommt.« Er kräuselte die Lippen und trank seinen Tee.
    »Bis dahin werden wir Ihren Aufenthalt in Quetzalia so gestalten, als wären Sie mit einer Reisegesellschaft hierhergekommen. Wir werden Ihnen ein Lipoca zur Verfügung stellen, ein ausreichendes Vermögen und ein Privathaus – Olo, das Seminarzentrum.«
    »Eine perfekte Privatsphäre können wir Ihnen allerdings nicht garantieren.« Mouzon zog einen Kalender hervor. »In der nächsten Woche findet eine Botanikerkonferenz statt.«
    Vaxcala runzelte die Stirn. »Unglücklicherweise. Da werden Sie bis tief in die Nacht hinein Fachsimpeleien mit anhören müssen. Ich werde die Leute bitten, Ihnen nicht auf die Nerven zu gehen.«
    Francis strich sich über die embryonalen Locken. »Kann ich kommen und gehen, wann ich will?«
    »Ja, aber versuchen Sie wie ein Einheimischer auszusehen. Die Quetzalianer haben Vorurteile gegen Nicht- Quetzalianer. Das dürfen Sie ihnen nicht übelnehmen. Burne Newman hat getötet. Vielleicht töten Sie auch.«
    »Nein.«
    »Eine Beschränkung müssen wir Ihnen leider auferlegen. Sie dürfen keine Zolmec-Kultfeier besuchen. Halten Sie sich vom Tolca-Tempel fern. Die Anwesenheit eines Ungläubigen könnte großen Schaden anrichten.«
    »Und wenn ich neugierig werde?«
    »Das sind Sie doch schon.«
    »Sie können mich nicht zurückhalten.«
    »Das stimmt«, bestätigte Vaxcala mit einem entwaffnenden Lächeln. Francis zuckte ausdrucksvoll mit den Schultern. »Auf der Nerde bin ich nie in die Kirche gegangen. Also habe ich jetzt keinen Grund, damit anzufangen.«
     
    Olo, das Seminarzentrum, war eine nüchterne Villa mit sparsamer Stuckverzierung, von Weinreben umrankt. Die Außenmauern waren so sorgsam geweißt worden, daß sie wie Silber schimmerten. Fröhliche Funken, Kinder der Sonnengöttin, grüßten Francis, wann immer er nach Hause kam.
    Drei Dutzend Räume säumten einen großen Hof mit Gipspflaster, der von Blumenbeeten unterteilt wurde. Die Schwimmhalle, die an Francis’ Schlafzimmer grenzte, veranlaßte ihn zu der Überlegung, daß sein Korkenzieherkäfer vielleicht gern schwimmen und seine Nase dabei als Propeller benutzen würde. Bei ihrer Wiedervereinigung würde er diese Hypothese testen.
    Es ist nicht schwierig zu lernen, wie man auf einem Lipoca reitet, wenn man gewillt ist, einen gewissen Zeitraum am Boden zu verbringen. Als Entomologe war Francis dazu bereit. An dem Tag, als er das Biest endlich unter Kontrolle hatte, ritt er ins Zentrum von Tepec und streifte inkognito umher, so wie es Vaxcala gewünscht hatte.
    Das architektonische Genie der Quetzalianer war allgegenwärtig. Brunnen, von steinernen Aquädukten gespeist, sprudelten überall, wo Nerdenmenschen Videophonmasten eingepflanzt hatten. Terrassen mit üppigen landwirtschaftlichen Anlagen zogen sich zu künstlichen Seen hinab. Makellos geformte Dämme und schmale Bewässerungskanäle veranstalteten ein Wettrennen bis zum Horizont. Grüne Parks und gelbe Gärten bildeten ein leuchtendes Schachbrett, wenn man sie von der Iztac-Bibliothek aus betrachtete.
    »Bibliothek« war ein unzutreffender Ausdruck. Die gewaltige Pyramide enthielt Museen, Hörsäle, Klassenzimmer, Labors, Läden und Restaurants. Und natürlich Bücher – nicht nur die gesamte Kollektion aus der Eden Drei, sondern

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