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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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eineBank herum. Der Chitzal bewegte sich wie ein zerbrochenes automatisches Spielzeug.
    »Es ist uns zu Ohren gekommen, daß Sie ein seltenes, schönes Insekt in unser Land gebracht haben«, erklärte Zamanta.
    Plötzlich bemerkte Francis, daß er lächelte, sogar strahlte, sowohl äußerlich als auch von innen heraus. Ob Zamanta nun ein Feigling war oder nicht, er wußte jedenfalls, wie man die Sympathien anderer gewann. »Es handelt sich um einen Cortexclavus areteus «, erläuterte Francis. »Die Larvenform ist wahrscheinlich…«
    Was er nun entdeckte, genügte vollauf, um seine Gedanken von Ollie abzulenken. Das einäugige Mädchen befand sich auf einem Kollisionskurs mit einem Schachspiel im vorgeschrittenen Stadium. Der Chitzal stieß gegen den Tisch, das Mädchen warf ihn um. Eingekreiste Könige, ausgeschiedene Bauern und ein Dutzend anderer Taktiker wirbelten wie aufgescheuchte Tauben in die Luft, während das Mädchen unverletzt ins Gras fiel.
    Ein muskulöser Teenagerjunge mit einem Verband um die Stirn hatte mit den weißen Figuren gespielt, eine dicke Frau in mittlerenJahren, die einen Arm in der Schlinge trug, mit den schwarzen. Das Entsetzen auf beiden Gesichtern verwandelte sich in eine ausdruckslose Heiterkeit, die keine eindeutige Interpretation zuließ. Die Frau ging bereits auf das Mädchen zu, das im Gras lag. Der Junge hatte sich erhoben.
    Francis erbebte. Das Verbrechen im Klassenzimmer flutete mitkalter Klarheit in seine Erinnerung zurück.
    »Was ist denn los?« fragte Momictla.
    »Sie werden das Kind töten«, stieß er heiser hervor und sprang von seiner Bank auf.
    Doch die Frau sagte: »Hoffentlich hast du dir nicht weh getan, meine Freundin.«
    »Ich habe euer Spiel ruiniert«, erwiderte das Mädchen – zerknirscht, aber ohne übertriebenes Schuldbewußtsein. Die gesunde Hand der Frau umfaßte die ausgestreckte des Mädchens und zog es auf die Beine.
    »Das ist nicht weiter schlimm«, meinte der Junge, der nun ebenfalls herangekommen war. »Ich hätte ohnehin verloren.«
    »Sonst bin ich nicht so ungeschickt. Das liegt an dieser dummen Augenbinde.«
    Der Junge zupfte ein Blatt aus dem Haar des Mädchens. »Du hast eben Spaß gemacht.«
    »Ich habe mich noch nie für die Nimzo-Inder-Verteidigung begeistert.« Die Frau zwinkerte ihrem Partner zu. »Obwohl ich dich in siebzehn Zügen mattgesetzt hätte.«
    »Ich helfe euch, die Figuren wieder aufzustellen.« Das Mädchen hob die schwarze Königin auf, und die drei begannen freundschaftlich alle Figuren einzusammeln.
    Dies war das Ende der Episode. Vorhang. Kein Blut, keine Prügel, nicht einmal eine erhobene Stimme. »Haben Sie wirklich geglaubt, sie würden das Kind töten?« fragte Tez.
    »Bevor meine Freunde und ich herausfanden, daß Quetzalia eine Zugbrücke hat, haben wir einen Tunnel unter Ihrer Mauer hindurchgegraben. Wir landeten in einem Transperviumraum.«
    Tez’ Muskeln spannten sich kaum merklich an. Francis berichtete, er habe einen Mord mit angesehen, dessen Motiv kaum gewichtiger gewesen war als ein ruiniertes Schachspiel.
    »Hier sind alle so freundlich – sogar pazifistisch.« Unwillkürlich warf er Zamanta einen unsicheren Blick zu. »Und trotzdem habe ich diesen Mord beobachtet.« Im Hintergrund erklärten die Frau und der Junge dem Mädchen, welch gute Dienste ein Bauer dem König auf Feld vier leiste. Der Chitzal war auf seinen Baum zurückgekehrt. »Oder es war nur ein Traum.«
    Tez, Zamanta und Momictla wechselten angstvolle Blicke.
    »Jetzt muß ich meine anderen Patienten wissen lassen, daß ich immer noch Knochen zersäge«, sagte Tez. Sie wandte sich ab, und der schimmernde Tempel von Chimec färbte ihr Gesicht bronzebraun. »Leben Sie wohl, Francis Lostwax, und lassen Sie wieder mal von sich hören.«
    »Ich werde mich melden, wenn Sie sich auch melden.« Es gefiel ihm, über dieses Thema zu reden. »Aber was ist mit meinem Traum?«
    »Ich glaube – ich glaube, es war wirklich nur ein Traum.«
    Als Francis am nächsten Morgen erwachte, war sein Bett von fünf übergewichtigen Männern umgeben, die sich als Priester des Tempels von Iztac bezeichneten und das zweifellos auch waren. Der kräftigste und fetteste nannte seinen Namen, Mouzon Thu. Mouzon war häßlich und mit Warzen übersät, und seine musikalische Stimme paßte keineswegs zu seinem Äußeren. »Bitte, ziehen Sie sich an, Doktor«, sang er. »Vaxcala Coatl erwartet Sie.«
    »Ich glaube, es wäre eine lausige interplanetare Diplomatie, eine

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