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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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so daß sie ins Nebenzimmer schauen konnte, einen Salon mit Wandteppichen, der einiger Möbel bedurft hätte. »Ich war noch nie im Olo«, erklärte sie.
    »Mir kommt es auch seltsam vor.« Es war dumm, daß er das gesagt hatte.
    »Es sieht riesig und faszinierend aus.«
    »Es hat zu viele Räume.«
    Tez schwang sich zur Tür und studierte Iztac. »Wir müssen auf der Straße der Sehnsucht nach Aca fahren. Mein Bruder hat eine Debatte in der Vij-Arena.«
    »Worüber?«
    »Das weiß ich nicht, aber nachdem Sie seinen Argumenten gelauscht haben, werden Sie hungrig sein und einen blendenden Appetit bei unserem Picknick entwickeln.«
    Als sie sich in den Wagen setzten, überlegte Francis, daß er Tez zu einer Besichtigungstour durch das Olo hätte einladen sollen, und er erbleichte.
    Die Straße der Sehnsucht hatte die Struktur eines faulen Zahns. »Früher war das die zweitschlechteste Straße von Quetzalia«, erklärte Tez, während sie dahinholperten. »Bis sie repariert wurde. Jetzt ist es die schlechteste Straße von Quetzalia.«
    Die Landschaft, die an Francis vorüberzog, war von anderer Art. Bäume von hunderterlei Gestalten und Farben wuchsen in einem Pflanzenkönigreich. Wolken glitten wie majestätische Luftschiffe über den Himmel. Üppige Hügel prangten mit wogendem Gras und Vogelnestern.
    »Nun, Francis Lostwax, was halten Sie von unserer kleinen Zivilisation?«
    »Für Utopia – nicht schlecht.«
    »Damit können wir nicht aufwarten. Der Winter ist schrecklich. Die Regierung hat Schulden bei den Kaufleuten. Die ganze Wirtschaft ist nur noch ein Papierhaufen, der von ein paar lausigen Thermalsteinen gestützt wird. Im letzten Jahr ging die ganze Ernte zum Teufel.«
    »Ist eine Hungersnot ausgebrochen?«
    »Nein. Der Zwergesfuß hat dem Bevölkerungswachstum Einhalt geboten.«
    »Verhindert er den Eisprung?«
    »Nein, die überwältigende Mehrzahl der Quetzalianer, die diese Pflanze essen, hat niemals Eisprünge. Aber der Zwergenfuß dezimiert die Spermenzahl.«
    Francis wurde rot und starrte auf die albernen nierenförmigen Ohren des Lipoca. Tez kam ihm zu Hilfe, indem sie das Thema wechselte. »Ich muß allerdings zugeben, daß diese Hügel ein bißchen was von Utopia an sich haben. Gibt es auf der Nerde auch so herrliche Berge?«
    »Ja«, entgegnete Francis düster. »Aber die stehen alle auf dem Meeresgrund.«
     
    Eine quetzalianische Debatte glich auf verblüffende Weise einer minderwertigen Zirkusvorstellung, die von einer verrufenen philosophischen Fakultät finanziert wird. Da gab es keine Rednerpulte. Solche kultivierten Dinge hatten hier nichts verloren. Die Opponenten standen in einer Arena inmitten von Kreisen, die aneinandergrenzten, und darin liefen sie aufgeregt hin und her.
    Nachdem Tez den Namen ihres Bruders genannt hatte, ergatterte sie zwei beneidenswerte Plätze in der Nähe des blauen Kreises. Francis sank in ein drehbares Lipoca-Wollkissen. Hinter ihm trugen Stützpfeiler aus Granit die Galerie mit weiteren Zuschauerreihen. Die Janet-Vij-Gedenk-Arena hatte ein ungeheures Fassungsvermögen.
    Die Mauern der Arena waren im Norden und Süden von massiven Eisentoren durchbrochen. Francis überlegte laut, ob sich vielleicht eines davon öffnen und einen hungrigen Löwen auf den Verlierer loslassen würde.
    »Sie haben es erraten«, erwiderte Tez hintergründig lächelnd. »Aber wir benutzen Hasen – damit es länger dauert.«
    Zumindest haben sie einen gewissen Sinn für Humor, was dieser pazifistischen Quark angeht, dachte Francis. Wenigstens treiben sie es nicht zu weit.
    Auf dem Schild über dem Nordtor stand: HUACA YON VERSUS QUILO LOIR!
    Huaca hatte aristokratische Gummigliedmaßen, kristallklare Augen und einen dünnen Bart, der von einem Ohr bis zum anderen reichte. Er ging nicht in den blauen Kreis, er wogte herein wie Protoplasma.
    Als Quilo auf den roten Ring zustrebte, fühlte sich Francis auf unangenehme Weise an seine Exgattin Luli erinnert. Quilo war hübsch, vital und vermutlich ein Champion im Argumentieren. Ihre jungen Gesichtszüge, wenn auch auf weniger konventionelle Weiseschön als Lulis, bewirkten immerhin, daß man zweimal hinschaute. Sie hatte ein Mondgesicht und sinnliche feuchte Augen.
    »Sie ist Antistasistin«, wisperte Tez und beugte sich so nah zu Francis herüber, daß er ganz traurig wurde, als sie sich wieder zurücklehnte. »Eine Radikale.«
    »Wenn sie gewinnt – wird dann die Regierung gestürzt?«
    »Niemand gewinnt, Francis.«
    Soweit er es

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