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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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einschlagen, bis nichts mehr davon übrig ist – nur noch Sägemehl. Das würde Sie doch wahnsinnig machen, nicht wahr?«
    »Wahrscheinlich«, entgegnete der Alte, offensichtlich mehr verwirrt als ärgerlich.
    »Sie werden in mein Haus kommen und mich verprügeln wollen.«
    Das Gesicht des Bildners verzog sich zu einem falschen Lächeln. »Sind Sie aus Aca? Dort muß eine neue Art von Humor aufgekommen sein, die noch nicht bis hierher vorgedrungen ist.«
    »Und dann werde ich Sie in die Rippen treten, bis Sie tot sind.«
    Der alte Mann schmollte. »Ich habe noch nie in meinem Leben einem Menschen weh getan.«
    Gibt es denn gar nichts, was seiner Erinnerung auf die Sprünge hilft, fragte sich Francis verwundert. Hat er den Mord verdrängt? »Sie sind ein Lügner! Ich habe Sie gesehen!«
    »Ich lüge nicht«, lautete die entschiedene Antwort.
    »Sie sind ein verlogener Bastard, und Ihre Frau ist eine Hure, und dieses häßliche Gebilde sieht aus, als hätte es ein Neurovore gemacht!«
    »Sind Sie krank?« Irritierendes Mitleid klang aus der Stimme des Bildners.
    In plötzlicher Wut beugte sich Francis vor und riß einen kleinen Stützpfeiler aus seiner Verankerung, so daß das Gebilde in sich zusammenfiel. Er schwang seine Füße von den Flanken des Lipoca weg – bereit, ihm in die Nieren zu treten, sobald ihn der Bildner angreifen würde.
    Aber der Bildner stand nur da.
    Francis schluckte, und sein wild pochendes Herz erschütterte seinen ganzen Brustkorb. »Vielleicht bin ich wirklich krank«, murmelte er, und der alte Mann nickte. Widerstrebend lenkte Francis sein Lipoca in die Dämmerung.
    Der Bildner hatte ihn entnervt, viel mehr, als wenn er ihn mit einer Axt attackiert hätte. Allem Anschein nach war der Mann genauso gutmütig und moralisch, wie man es als Quetzalianer sein sollte. Und doch hatte sich sein Zorn einmal so mächtig entladen, daß die Gleitflächen des Magnumautos zu Hafermehl zerfallen waren.
    Francis wußte, daß seine Gefühle launisch und nicht von Dauer waren. Aber in diesem Augenblick entschied er, daß es ihm nichts ausmachen würde, wenn er seine Heimat nie wiedersah – wenn er nur diese beiden Fakten miteinander in Einklang bringen könnte.

»Hallo, Dr. Lostwax! Wollen Sie picknicken?« Francis sah von seinem Frühstück auf, einem klumpigen Gemisch aus ganzen Körnern, frischen Opos und Milch. Zufällig ergänzten die Lipocas ihre Pferdetugenden mit den besten Eigenschaften der Kühe. »Tez! Was für eine wunderbare Überraschung!« Langsam tropfte Sirup von seinen Worten.
    Die Tür umrahmte sie. »Ich habe mir einen Ferientag verordnet«, erklärte sie, die Zunge attraktiv in einen Mundwinkel gespitzt. Sie sah schön und frisch aus wie ein Morgensonnenstrahl.
    »Ein Picknick ist genau das, was ich mir wünsche, Dr. Yon.« Diese blaue Robe war vollendet schön. Bisher hatte er sie immer nur in tristem klinischem Grau erblickt.
    »Ein fahrbares Festmahl…« Sie zeigte in den Hof von Olo. Mixtla war vor einen Wagen gespannt, der von Picknickgenüssen überquoll – von Käse, Brot, Fleisch, Obst, Wein.
    »Möchten Sie frühstücken?«
    Lächelnd kam Tez auf ihn zu. »Nicht allzuviel. Ich fürchte, dieser Brei ist ziemlich nahrhaft.«
    Francis rumorte in der Küche herum. »Ich kann keine zweite Schüssel finden!« verkündete er mit einem Anflug von Panik.
    »Haben Sie einen zweiten Löffel?«
    »Ja.«
    Und so aßen sie Brei aus derselben Schüssel. Es war ein wunderbares, beinahe schon obszönes Gefühl.
    Tez erklärte, sie hätte sich diesen Tag freigenommen, um den offenkundigen Sieg der Coyo-Wurzel über die Lähmung ihres Vater zu feiern. Vor zwei Tagen war Teot Yon ohne fremde Hilfe von seinem Zimmer in den Garten und wieder zurück gehumpelt.
    »Und die Nebenwirkungen?« fragte Francis.
    »Es ist noch zu früh, um da irgendwelche Diagnosen zu stellen. Aber Mool sagt, ich soll mir keine Sorgen machen.«
    Ein Schweigen entstand und machte Francis nervös. Auf der Nerde waren solche stummen Pausen nicht erlaubt. Tez aß zufrieden von dem Brei. Winzige weiße Tröpfchen rannen aus ihren Mundwinkeln, und sie sah aus wie ein Milchvampir. Schließlich fragte sie: »Wie ist Vaxcala? Ich bin ihr noch nie begegnet.«
    »Eine intellektuelle Hexe«, antwortete Francis.
    »Ist das was Nettes?«
    »Oh, ich fand sie recht sympathisch. Sie erzählte mir von Ihrer Gewaltlosigkeit.«
    »Das alles ist wahr.« Tez balancierte ihren Stuhl auf einem Hinterbein, drehte sich vom Frühstückstisch weg,

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