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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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feststellen konnte, ging es bei der Debatte um die angebliche Kluft zwischen Kreativität und Vernunft. Ist Kunst hauptsächlich emotional, irrational, ungeeignet, in Worte gefaßt zu werden? Ist der Intellekt in erster Linie kaltblütig, logisch, wortreich?
    Ja, sagte Quilo Loir.
    Nein, widersprach Huaca Yon.
    Quilo trat mit schwingenden Hüften vor. Sie versprach, über die neurologische Beweiskraft zu reden. Francis war beeindruckt. Wenn man die Menge für sich gewinnen will, muß man über die neurologische Beweiskraft reden.
    Ihre neurologische Beweiskraft entpuppte sich als alter Hut, der von der rechten Großhirnhälfte handelt, wo bildlich und musikalisch gedacht wurde, und von der linken, wo man verbal dachte. Wenn man die Hälften entlang des Corpus Callosum teilte (das alte Gehirn-Splitting-Experiment), trennte man zwei verschiedene Arten der Intelligenz, die künstlerische und die verstandesmäßige.
    Die Menge tobte.
    Huaca schleimte in Aktion. Er sprudelte Worte hervor, so wie der Morg von Kritonia Wasser – in einem Schwall, unerbittlich. Zunächst wirkte seine Argumentation rettungslos weitschweifig, aber wenn man genau zuhörte, erkannte man, daß der halbgeformte Beweis, den er drei Folgerungen vom Hauptpunkt entfernt hatte stranden lassen, schließlich doch gerettet und zur Reife hochgepäppelt wurde, durch eine reductio ad absurdum, die er am Rückweg von der Tangente auflas. Huaca behauptete, die menschlichen Gehirne enthielten viele Arten von Intelligenz, nicht nur zwei, und daß Quilo jene Art von Kästchenmentalität vertrat, vor der Zolmec warnte.
    Die Menge sprang jubelnd auf.
    Francis fand, daß Quilos Reaktion geradezu unheimlich war. Sie akzeptierte Huacas überlegene Position mit bezaubernder Liebenswürdigkeit, als würde ihr das gar nichts ausmachen, ja mit einer Freude, die in Francis’ Augen an Begeisterung grenzte. Sie ging in ihrem Kreis auf und ab, lächelte strahlend, nickte kichernd und gab Kommentare ab wie: »Ein guter Standpunkt!« oder »Da haben Sie mich aber wirklich reingelegt!«
    Die Pause hatte eben erst begonnen, als das Südtor gegen die Wand krachte und ein paar Mörtelbrocken löste. Ein junger Mann, schweißgebadet, atemlos, taumelte in das Zentrum der Arena.
    Tez kniff Francis in den Arm. »Ein Kurier.«
    »Gute Neuigkeiten!« verkündete der Kurier. »Der Tribut an den Gehirnfresser hat sich heute auf einen einzigen beschränkt – auf einen Farmer in Oaxa.« Er fügte noch hinzu, daß Burne und der Moloch nur mehr durch zwanzig Kilometer voneinander getrennt waren.
    Dankbares Gemurmel wogte durch die Menge. Francis verspürte abwechselnd Erleichterung und Schuldgefühle. Es war gut zu wissen, daß sein Freund noch immer in Sicherheit war, und es tat auch gut, sich vorzustellen, daß die Quetzalianer, sollte Burne seine Mission erfolgreich beenden, in ihrer Dankbarkeit vielleicht bereit wären, ihre Skrupel zu vergessen, und den Nerdenmännern bei der Rückeroberung der Darwin beistehen würden. Und doch…
    Er beugte sich zu Tez hinüber und bemühte sich, dabei die raffinierte Methode zu imitieren, mit der sie sich vorhin zu ihm geneigt hatte. »Natürlich, wenn wir nicht aufgetaucht wären«, wisperte er, »hätte Sie jetzt keinen Neurovoren am Hals.«
    »Ich bin froh, daß Sie das zugeben«, erwiderte sie mit klarer Stimme und lehnte sich im Lipoca-Wagen zurück, wo sie die Pause verbrachten. Sie hatten der Versuchung, mit dem Picknick schon jetzt zu beginnen, nicht widerstehen können. Francis aß einen Opo. »Sie kennen Burne«, sagte Tez. »Wird er diese Pest ausrotten?«
    »Ich glaube, daß Burne Newman alles kann, wenn er will.«
    »Huaca Yon versus Quilo Loir« tobte noch eine weitere Stunde lang, und die heiße, träge Sonne bewirkte, daß Francis erst das Interesse und dann die Besinnung verlor. Alle zehn Minuten erschreckte er sich selbst, indem er erwachte, immer gerade rechtzeitig, um miterleben zu können, wie Huacas Schachspringergeist einen geschickten Zickzackschritt nach vorn machte.
    »Wenn da eine schwarze Katze wäre, würde ich sie rosa färben, und dann würdet ihr sehen, daß es nur eine andere Art von Katze ist!«
    Darauf entgegnete Quilo: »Ich behaupte immer noch, daß Das göttliche Gespinst eine ipso facto fehlerhafte Welt schafft, in der es kein episches Gedicht namens Das göttliche Gespinst gibt!«
    Irgendwann ging die Show zu Ende, als Huaca einen nach quetzalianischen Moralmaßstäben gewagten Witz über einen

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