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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Ixan Tolu nahm die Freuden, die Tez ihm schenkte, sehr ernst und gab Äußerungen von sich will zum Beispiel: »Wenn es eine gewaltlose Möglichkeit gäbe, würde ich mich töten.« Doch Tez lehnte es ab, sich schuldig zu fühlen. Siel wußte, was sie faszinierte. Ixan Tolu war eitel und gewöhnlich, während Francis Lostwax bescheiden war und von einem anderen Planeten stammte.
    Quetzalia stillte sogar Francis’ wissenschaftlichen Durst. Diesen allerneusten Segen hatte er einem Mann zu verdanken, den er haßte, einem Mann namens Loloc Haz, der zusammen mit Tez die Marionettenaufführung veranstaltete. Loloc, ein Junggeselle, ließ deutlich erkennen, daß er sich als Rivalen betrachtete. Er war widerwärtig hübsch, und das scheinbar mit Absicht, um Francis zu ärgern. Und das Problem wurde keineswegs durch die Tatsache verringert, daß Tez und Loloc gemeinsam an einer Sexkomödie arbeiteten, »Der Planet der austauschbaren Genitalien«.
    Aber während die Tage dahingingen und die Puppenspieler weiterhin auf keusche Distanz achteten, erkannte Francis, daß er seinen Rivalen außerordentlich sympathisch fand. Aufgrund seiner Hobbys hätte man das nicht erraten können, aber Loloc war durch und durch intellektuell und ein Schwergewicht in der biologischen Abteilung der Iztac-Bibliothek. Zwischen den Bühnenproben sprach er mit Francis über Insekten. Luta hatte nur wenige einheimische Tierchen, die alle restlos erforscht und ziemlich langweilig waren, aber es gab genügend provokantere Erdenarten, die den Trip in der Eden Drei überlebt und sich stetig fortgepflanzt hatten. Es war beglückend, wieder einmal über die parthenogenetische Progenese zu diskutieren, über Prothoraxdrüsen, über Gestalten und Formen.
    Loloc forderte Francis auf, einen entomologischen Kurs abzuhalten, und die erste Vorlesung war so erfolgreich, daß der Bibliotheksleiter den Nerdenmenschen veranlaßte, an einem Mammutprojekt mitzuarbeiten – der Herausgabe einer naturhistorischen Enzyklopädie, deren Autoren von der Regierung fürstlich entlohnt wurden. Francis’ Beitrag bestand aus vier Artikeln – nicht weil er noch mehr Cortas haben wollte, sondern weil da endlich eine Welt war, die sich für seine Ideen interessierte. Er schrieb über die Siteroptes graminum- Reproduktion, über die ökologischen Strategien der Gallmücke, über den Cortexclavus areteus und das geistige Wesen der Bohnenläuse.
    Und das alles wurde durch die Heilung von Francis’ Diabetes gekrönt. An dem Wochenende, wo die Botanikerkonferenz stattfand, las und döste er in seinem Schlafzimmer, dem einzigen Ort, wo es unwahrscheinlich war, daß er mit einer weiteren Vorlesung über Arteriosklerose oder einem Privatgespräch über Leukämie konfrontiert wurde. Diese Zauberer schwelgten in der Pathologie, und das Erfreulichste, worüber bei dieser Konferenz diskutiert wurde, waren Magengeschwüre.
    Tez kam herein und schob einen kahlköpfigen Mann zu Francis’ Bett. »Das ist Dr. Murari«, erklärte sie. Wie alle anderen in diesem Zimmer hatte er eine Chitzal-Narbe rings um den Kopf, aber Francis fand keine Zeit, sich über diesen Zufall zu wundern. Der Doktor stellte eine Flasche mit grünen Pillen auf die Matratze.
    »Jede Stunde eine«, sagte er strahlend, »bis das Fläschchen leer ist.«
    »Und wofür?«
    »Für Ihre Bauchspeicheldrüse.«
    »Für die aus Plastik?«
    »Für die richtige.«
    Francis nahm das Fläschchen und rasselte mit den Pillen. Sie waren eiförmig wie Gallertbienen.
    »Diese Pillen werden ihre Wirkung tun.« In Muraris Stimme lag keine Moolsche Arroganz, nur nüchterner Professionalismus.
    Die Pillen wirkten. Fünfundzwanzig Stunden später hielt Francis’ Blut jedem exzessiven Zuckertest stand, der den Wissenschaftlern bekannt war. Der Gedanke, daß er nun auf seine Injektionsnadeln verzichten konnte, löste ein Glücksgefühl in ihm aus, das tagelang anhielt. Tez meinte, er müsse Vaxcala erlauben, diese teuflischen Werkzeuge im Tempel von Tolca zu verbrennen, aber Francis entgegnete, diese Geste würde einen Rückfall hervorrufen, stellte das Insulinkästchen in eine Schublade neben seine Socken und vergaß es.
     
    Genau vierzig Tage nachdem die Darwin auf Luta gelandet war, erkannte Francis, daß er nie mehr von hier weggehen wollte. Er saß im Hofgarten, trank Kräuterwein, wartete auf Tez’ Heimkehr und sagte sich: Welche Unterschiede zwischen diesem Planeten und dem Königreich des Himmels auch immer bestehen mögen – sie sind zu

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