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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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wegzunehmen?«
    »Kleinen Kindern«, wiederholte Burne dumpf. »Es ist mein Stil, auf diesen oder jenen Dingen zu bestehen.« Er verlagerte seine Leidenschaft auf die andere Schulter, und als er sie entkleidete, glitt ihre Robe wie ein Opos-Blatt auf den Boden des Obstgartens.
    Ticoma startete keinen Gegenangriff. Burne lächelte. Eine Brise überzog ihre vollen Brüste und runden Schenkel mit einer erregenden Gänsehaut. Wie weit kann man diese Leute treiben? So weit, wie es mir Spaß macht? Seine Neugier brannte ebenso heiß wie sein erigierter Penis.
    »Dr. Newman – das ist absurd«, stammelte sie. »In ein paar Tagen werden Sie ein Held sein. Die Frauen werden vor Ihren Genitalien auf die Knie fallen.«
    »Ich weiß. Aber Sie sind jetzt hier.« Ticomas Hilflosigkeit, ihre angeborene Unfähigkeit, sich loszureißen, und die sichere Befriedigung seiner Wünsche, die diese Szene prophezeite, erregten in Burne abwechselnd Mitleid und Lust. Wobei die Lust überwiegt, dachte er vergnüglich und zog seine Robe aus.
    »Dann muß es also sein?«
    »Fürchten Sie sich nicht«, sagte Burne.
    »Wenn unvermeidliche Dinge geschehen, entsteht keine Furcht.« Ihre Stimme war tonlos.
    »Ausgezeichnet«, erwiderte Burne, dann fügte er hinzu: »Auf derNerde haben wir Gefühle.«
    »Gott des Gehirns!« fuhr Ticoma ihn an. »Glauben Sie, weil die Gewalttätigkeit bei uns ausgerottet ist, gäbe es keine anderen Emotionen mehr? Glauben Sie, ich würde keinen Ekel empfinden?«
    »Ich glaube, dazu wird es nicht kommen.«
    »Sie eitler Parasit! Ich werde Ihnen keinen Widerstand leisten, aber interpretieren Sie das nicht falsch. Dies ist nur eine Pseudo-Bereitschaft, um die eigenen Schmerzen zu lindern.«
    Er umarmte ihre neutrale Nacktheit, ließ sie ins Gras gleiten. Ich muß meine Saat ganz sanft in sie pflanzen, dachte er, wie ein Stadtbewohner, der seinen Dachgarten bepflanzt. Doch diese Sanftheit konnte seine Lust nicht verringern, auch ihren Namen nicht ändern.
    Danach hatten sie sich nichts zu sagen. Warum sollte ich mich schämen, überlegte Burne, während die schlaffe Passivität von Ticoma abfiel und sie sich geschmeidig erhob. Ich habe ihr keinen Schmerz zugefügt. Eine beleidigende, fast demütigende Arroganz lag in der Art, wie sie sich nicht einmal die Mühe machte, sich wieder zu bekleiden. Sie hob ihre Robe auf, warf sie über ihre Schulter, nahm ihre Laterne, schritt nackt über das Gras.
    Am Rand des Obstgartens blieb sie stehen und sagte mit vibrierenden Zähnen, ohne ihrem Peiniger einen Blick zu gönnen: »Es gibt keine Rache in Quetzalia. Aber wir haben den Tempel von Tolca.« Sie ging weiter, und der Dschungel trug sie davon, eine insolente Eva, die sich weigerte, ihr Exil zu beklagen.
    In finsterer Stimmung kleidete er sich an, schulterte seinen Rucksack und folgte Ticomas Spuren im Gras. Er kochte vor Selbsthaß. Zunächst beschloß er, sich zu hassen, weil er nichts empfand, keine Gewissensbisse, nachdem er den Neurovoren ermordet hatte, der nach quetzalianischen Kriterien ein menschliches Wesen war. Und dann beschloß er, sich zu hassen, weil er es zuließ, daß ihn so katastrophale Selbstvorwürfe quälten – nach dieser dummen, harmlosen Entladung seines Samens.
    Und dann erkannte er, daß er sich haßte, weil er Ticoma vergewaltigt hatte.
    Nachdem er eine Stunde lang durch den Urwald gewandert war, verflogen seine Depressionen – nicht weil er nun eine bessere Meinung von sich hatte, sondern weil der unerwartete Anblick von Granitpegmatiten alle anderen Ereignisse aus seinen Gedanken verdrängte. Polluzit, dachte er und fiel auf die Knie. Die Kristalle waren isometrisch, kubisch, farblos, enthielten muschelige Brüche.
    Er packte einen Pegmatit, wog ihn in der Handfläche. Und dann legte er ein feierliches Gelübde ab. Irgendwie, auf irgendeine Weise würde er dieses Gestein zur Darwin transportieren. Er würde die Quetzalianer zwingen, ihren verweichlichten Lebensstil aufzugeben und gegen die Neurovoren zu kämpfen. Und nach diesem Gelöbnis hob Burne den Treibstoff an die Lippen und küßte ihn.

Was konnte sich ein Mensch noch mehr wünschen? Francis Lostwax häufte ausgezeichnetes Essen auf seinen Teller, hatte ein teures Dach über dem Kopf, und nun war auch noch die Liebe in sein Leben getreten, entschädigte ihn für alles, was er gelitten hatte. Tez’ Entschluß, ins Olo zu ziehen, war schnell gefaßt worden und unabänderlich – trotz romantischer Affären, deren eine Ixan Tolu hieß. Dieser

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