Der Wein des Frevels
hundert Versuche, seinen Plan zu verwirklichen. Der Hauptnenner seiner Träume war ein Fehlschlag. Niemand wußte, wie man einen Holojektor, der normalerweise nur Licht ausstrahlte, veranlassen konnte, im Einklang mit biochemischen Prozessen zu funktionieren. Und da die Elektroden nicht eingepflanzt, sondern nur an die Köpfe geklebt wurden – die Gehirnchirugie war immer noch ein radikales Ressort –, blieben die geistigen Ströme zu schwach und undifferenziert, um lebhafte, wegwerfbare oder auch nur unterhaltsame Bilder zu produzieren.
Doch die Prophetisten gaben es nicht auf. Sie betrachteten ihren Sieg nur als eine Frage der Zeit, des größeren Glücks.
Das Geschehen nahm eine besonders schlimme Wende, als sich die Gehirnfresser erhoben. Ihr Auftauchen war wahrscheinlich nicht zu vermeiden. Der Prophet war schon seit fünfzig Jahren tot, und in dieser Zeit waren seine Lehren von fünfzig geringeren Geistern interpretiert und mißdeutet worden. Die Gehirnfresser repräsentierten natürlich ein Extrem, eine Minderheit, die von der unendlichen Klaustrophobie des Archenlebens in den Wahnsinn getrieben wurde. »Menschliche Gehirne sind also göttlich?« argumentierten diese Verrückten. »Dann werden wir zu Göttern, wenn wir sie essen.«
An dem Tag, als die Eden Drei indas UW-Canis-Majoris-System eindrang, brach der Bürgerkrieg aus. Wilde Schlachten tobten in Maschinenräumen und Treibhäusern. Janet Vijs zehnjährige Hand wurde zerschossen. Prophetisten ermordeten Gehirnfresser, und Gehirnfresser ermordeten Prophetisten, während sich die Augen der Wissenschaft vor Anstrengung röteten, als sie nach einer Technologie der Mildtätigkeit suchte.
Und da kam ein dunkler Himmelskörper, zu klein für einen Planeten, zu groß für einen Asteroiden, und als die Prophetisten eine Lücke in der Wolkendecke erblickten, wußten sie, daß dies Luta war. Die Eden Drei landete auf sengend heißem Sand. Das Leben im gelobten Land sollte offenbar kein Picknick werden, und die Feindseligkeiten flammten heftiger auf denn je.
Immer noch in der Mehrzahl, trieben die Prophetisten ihre Gegner zu einer großen Oase im Osten. Dann starteten die Gehirnfresser plötzlich einen Gegenangriff und brachten Tez’ Ahnen eine vernichtende Niederlage bei, in der sogenannten Schlacht der Singenden Felsen. Während ihres langen Rückzugs, der sie immer wieder auf Irrwege führte, gelangten die Prophetisten zur Arche und holten alles heraus, was sie zum Überleben brauchen würden – Holojektoren, Transpervium, Maschinen, Rumpfplatten, auch die Tiere.
Schließlich erreichten sie einen Fluß. Die Prophetisten konnten sich die Gehirnfresser lange genug vom Leibe halten, um einen primitiven Verteidigungswall aus Holz zu errichten. Hinter dieser Mauer wuchs eine große Zivilisation heran. Während die Gehirnfresser immer verrückter wurden und ihre Degeneration von einer grausamen, barbarischen Wüste beschleunigt wurde, praktizierten die Prophetisten Ökologie. Sie bewässerten und bebauten das Land, entrangen dem Sand grüne Pflanzen. Sie fanden einen Steinbruch, gründeten eine Stadt. Sie nannten sich Quetzalianer, nach Quetzalcoatl, dem guten, kultivierten Gott der Tolteken, einem Erdenvolk.
Wie man manchen Geschichtsbüchern entnehmen kann, schenkten die Tolteken der Erde eine ihrer wenigen gewaltfreien Gesellschaftsformen. Aber in anderen Geschichtsbüchern wird behauptet, die Tolteken seien ebenso schlecht gewesen wie alle anderen Völker auch. Die Quetzalianer beschlossen, sich an den Gedanken der Gewaltfreiheit zu halten.
Weitere Namen wurden gefunden – Cuz, Aca, Iztac, Tolca, Zolmec.
Zolmec war möglich geworden! Zuerst erreichte es der Fortschritt der chirurgischen Technik, daß die menschliche Großhirnrinde ebenso zugänglich wurde wie der menschliche Zehennagel. Dann beschloß Janet Vij, inzwischen von ihrer Wunde geheilt und zur Frau herangereift, jede nur denkbare Synthese von Holovisionstechnik und Maschinen zu erproben. Sie stellte fest, daß das menschliche Wissen dieser Aufgabe nicht gewachsen war, und erfand ihre eigene Wissenschaft, die Biophotonik.
Janet wurde Zolmecs erste Hohepriesterin. Sie befahl, die Holzwand niederzureißen und an ihrer Stelle den großen Tolca-Tempel zu bauen. Sie befahl, den Fluß zu entwässern, so daß sein Bett mit Noctus gefüllt werden konnte. Die Arbeit dauerte jahrelang, doch dann war die Welt endlich bereit, ihren Zyklus von, wie Tez es nannte, »jährlicher Ernte, opochaler
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