Der Wein des Frevels
Käfer. »Ich werde heute abend spät nach Hause kommen. Falls du nicht weißt, wie du dir die Zeit vertreiben sollst, schlage ich dir vor, über den Krieg und Zolmec zu meditieren.«
»Sage mir noch eins«, bat Francis. »Hast du es jemals – auch mit dir gemacht?«
»Was?« Sie ging langsam zu den Ställen hinüber.
»Du weißt schon… Hast du auch von mir geträumt?«
»Nein. Bis vor kurzem hast du nichts getan, was mich verletzt hätte.«
Während der nächsten zehn Tage regnete es. Es regnete unaufhörlich in Strömen, und mit den Wassermassen senkten sich Reizbarkeit und Unzufriedenheit herab. Francis und Tez bemühten sich, in ihrem Haus ein Klima aufrechtzuerhalten, das irgendwo zwischen Feindseligkeit und Nonchalance schwankte, und manchmal schwang es sich bis zur Höflichkeit empor. Einmal sogar liebten sie sich.
Tez’ Puppen entwickelten sich zu Hauptkommunikationsmedien zwischen den beiden. Shag, eine schüchterne Seeschlange mit hängender Zunge und einem Horn, war Francis’ Sprachrohr. Tez benutzte Mr. Nose, einen Clown. Die vier teilten das Bett miteinander. Bei geringfügigen Kümmernissen funktionierte dieses Spiel ganz gut. Kritik war leichter zu ertragen, wenn sie von einer piepsenden Stimme vorgebracht wurde, die aus dem Mund einer kleinen, niedlichen Figur zu kommen schien. Francis stimmte mit Mr. Nose darin überein, daß er das Schwimmbecken zu selten saubermachte. Und Tez gestand Shag zu, daß es eine schlechte Gewohnheit sei, überall im Haus halbleere Saftgläser herumstehen zu lassen. Aber wenn es um Zolmec ging, halfen keine Piepsstimmen und keine niedlichen Figuren. Shag erklärte, die Quetzalianer würden ihre Seelen ausbluten lassen, und Tez weigerte sich zu antworten. Am ehesten konnten sie sich noch einigen, als Shag die Zolmec-Phantasien als »widerliche Träume« bezeichnete und Mr. Nose entgegnete, daß sie den »Heiligjektoren« entstammten.
Außerhalb des Schlafzimmers regierte das Schweigen. Abends blieb Tez in der Bibliothek und schrieb ein neues Stück, betitelt »Lachende Materie«, über einen Planeten, auf dem ein paar Wissenschaftler ein Humor-Gen isolierten, das sich blitzschnell vermehrte und alle Leute in Komödianten verwandelte. Bald tauchten an den unpassendsten Stellen Witze auf, zum Beispiel auf Straßenschildern und Theaterkarten.
Mittlerweile ging Francis im Hof spazieren, probte laut für eine Vorlesung über Milben, studierte den tropfnassen, von Fackeln erleuchteten Garten; Regentropfen fielen in die Pfützen, bildeten Zielscheiben, verwandelten sich in Bullaugen.
Jeder Liebende sah im anderen einen Zorn, der sowohl gerechtfertigt als auch zu nachsichtig mit sich selbst war. Francis wußte, daß Tez verletzt war und sich ärgerte, weil er den Quetzalianern nachspioniert hatte. Aber hatte sie ihn nicht dazu herausgefordert, indem sie ihm so lange verschwiegen hatte, wie Zolmec funktionierte? Tez wußte, daß sich Francis betrogen fühlte – aber war sein Abscheu kein Beweis dafür, daß es richtig gewesen war, ihn zu schützen. Wie alle guten Freunde litten sie darunter, als ihre Beziehung die emotionale Unschuld verlor, die Keuschheit des guten Willens, und jetzt, da ihnen dies alles abhanden gekommen war, da kränkende Bemerkungen ausgetauscht wurden und Narben hinterließen, freute sich keiner von beiden auf die Zukunft.
Eine der Lebenswürzen von Quetzalia war das Hoheitsrecht der Geistlichkeit, x-beliebige Tage zu Feiertagen zu erklären. Am elften Tag des Schlechtwetters entschied Vaxcala, nun hätten sie es alle verdient, daheimzubleiben und dem angenehmen Trommeln der Regentropfen gegen die Fensterscheiben zu lauschen. In ganz Quetzalia zündeten Arbeitnehmer, die ihre Jobs haßten, und Arbeitgeber, die ihre Arbeiter haßten, Kerzen für die Hohepriesterin an, während die Eltern, die nun ihre Kinder am Hals hatten, Vaxcala möglichst viele Warzen wünschten.
Das Chimec-Hospital vollbrachte natürlich weiterhin sein heilsames Werk, aber alles, was nicht unbedingt nötig war, wurde abgesagt, zum Beispiel die Nachmittagsversammlung aller Mitarbeiter. Tez kam schon vor dem Lunch ins Olo, wo sich Francis gerade an einem Langschriftexemplar eines neuen Enzyklopädieartikels über den Polymorphismus der Heuschrecken die Finger wundschnitt, und es fiel ihr nicht schwer, ihn zu einer Suppe und einer Schachpartie in der Säulenhalle zu überreden.
Eine Stunde später bedrängte ein lästiger Springer Francis’ schwarzen Läufer und den
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