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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Hundertsiebzig Jahre nach ihrem Tod hatte sie ihnen den Heimweg gewiesen.
    Burnes Augen verengten sich, und er kniff sich in die Wangen, um anzuzeigen, daß es nun an der Zeit war, zur Praxis überzugehen. »Wir brauchen Forschungsobjekte, Tiere – und Menschen.«
    »In Quetzalia gibt es Hasen und Chitzals, was immer wir brauchen. Und Menschen? Zamanta ist uns zwei Gefallen schuldig – einen für jedes Kind.«
    »Und wir brauchen literweise Noctus.«
    »Auf dem Markt können wir Töpfe kaufen. Gebrannter Ton müßte dieser Flüssigkeit standhalten, zumindest für eine Minute, lange genug, so daß wir eine Salzwasserlösung vorbereiten können.«
    »Und Vij empfiehlt, das Zeug zu injizieren.«
    »Ich habe noch zwei Fünf-cm 3 -Spritzen im Olo. Tez wollte, daß ich sie verbrenne.«
    Burne rieb sich die Hände. »Lostwax, das wird ein Mordsspaß. Ich brauche endlich wieder ein Abenteuer. Diesen Neurovoren umzubringen – das war hauptsächlich harte Arbeit, aber jetzt habe ich einen ganzen gottverdammten Krieg, mit dem ich spielen kann.«
    Als Francis mit Burne die Bibliothek verließ, die Noctus-Formel in der Tasche, spürte er, wie die Freude über den nächtlichen Erfolg von Unbehagen verdrängt wurde. Im gedämpften Licht der Morgendämmerung sah Tepec wie eine heilige Stadt aus. Dies war eine großartige Zivilisation! Welches Recht hatte er, ein obskurer Entomologe mit einer Bohnenlaustheorie, diesen Leuten zu sagen, sie müßten ihren Lebensstil ändern? Erwartete er von diesen Pazifisten wirklich, daß sie kämpfen und sterben würden, nur damit er mit seinem Freund nach Hause fliegen konnte? Er faßte seine Zweifel in Worte.
    Aber wie er es vorausgesehen hatte, ließ sich Burne nicht beirren. »Verdammt, diese Schlappschwänze werden von diesem Krieg nur profitieren. Glaubst du, daß es ihnen Spaß macht, in der Nachbarschaft von Neurovoren zu leben? Wir bieten ihnen nichts Geringeres als die Freiheit an.«
    »Eins mußt du mir versprechen, Burne. Biete ihnen die Freiheit an – zwing sie ihnen nicht auf. Ich möchte nicht, daß irgend jemand gegen seinen Willen eine Injektion bekommt.«
    »Du hast mein Wort.« Burnes Antwort klang so aufrichtig, daß Francis sich besser fühlte. Sie stiegen weiter die Stufen hinab, und die Sonne schenkte der Stadt die ersten Farben dieses Tages.
     
    »Francis, was in Iztacs Namen geht hier vor?« Tez bezog sich auf die Tiere, die seit fünf Tagen im Olo eintrafen, gesund, mit klaren Augen und putzmunter, und die das Haus entweder wahnsinnig, komatös oder tot wieder verließen.
    »Das würdest du gar nicht wissen wollen.« Als Francis den Flur hinabging, Tez auf den Fersen, zog er einen primitiven Bronze-Schlüssel aus der Tasche. Burne, der Romantiker, hatte das Labor im Keller einrichten wollen, im Stil des »Verrückten Doktors«. Doch dieser Plan war durch die Entdeckung vereitelt worden, daß das Olo gar keinen Keller besaß. Deshalb hatten sie sich mit dem Zweitbesten zufriedengegeben und den größten Raum der Villa, die Bibliothek, umfunktioniert. Die Tür hatte, wie alle quetzalianischen Türen, kein Schloß, und so hatte Burne eines gebastelt. Nun steckte Francis den Schlüssel hinein, drehte ihn herum, hörte die hausgemachten Zylinder klicken. Dann glitt er schnell durch die Tür, als wolle er verhindern, daß ihm ein junges Hündchen nachläuft.
    »Diese Geheimnistuerei ist richtig kindisch!« rief Tez ihm nach und beschämte ihn damit so, daß er die Tür halb offen ließ.
    »Es handelt sich hier um ein religiöses Nerdenritual. Quetzalianische Atheisten haben keinen Zutritt.«
    »Ihr macht da drin irgendwas, das euch zu eurem Schiff zurückführen soll.«
    »Ja«, gestand er.
    »Hoffentlich klappen eure Experimente«, meinte sie mit der Zuversicht eines Physikers, der überlegt, ob er ein Ouija-Brett konsultieren soll.
    »Unsere Experimente klappen ausgezeichnet.«
    Doch die Experimente klappten überhaupt nicht. Noctus erwies sich als raffinierte, unberechenbare Substanz. Nicht daß Janet Vij in irgendwelchen Belangen unrecht gehabt hätte. Die Droge mußte tatsächlich injiziert werden, da sie von den Magensäften ihrer Wirkung beraubt wurde, und die Injektion mußte intramuskulär vorgenommen werden. Aber während Vijs empfohlene Dosis – eine Zwanzig-Prozent-Lösung, ein Kubikzentimeter pro zehn Kilogramm Körpergewicht – vielleicht aus mathematischer Sicht vernünftig war, ließ das neu geschaffene Volk von Chitzal-fressenden Chitzals erkennen, daß

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