Der weiße Bikini
Südamerika geschleppt hatte, damit sie ihm helfen sollte,
irgendeine gottverlassene kleine Handelsstation mitten im Dschungel zu leiten.
Die beiden waren spurlos verschwunden, fast unmittelbar nachdem sie weggereist
waren. Sie waren nie auf der Handelsstation angekommen. Man hielt sie seit
langem für tot, und man hatte sie allmählich vergessen.
Marian hatte ihre
Heiratsurkunde in einer Schachtel unter den Papieren ihres Vaters gefunden. Am
nächsten Tag ließen wir in einem der mehr abseits liegenden Nester des San
Diego County die Geburt einer Tochter Jenny eintragen, deren Eltern William und
Gertrude Holt waren. Es war alles lächerlich einfach, eine Affäre von zwei
Minuten. Dann nahm Marian das Kind sofort mit zurück in ihr Haus in Beverly
Hills, überzeugt, daß Jennifers Zukunft doppelt so gesichert war wie das
irgendeines Babys auf der Welt. Absolut verrückte Idee natürlich. Selbst wenn
Monteigne das Kind irgendwann in der Zukunft einmal nicht mehr als sein eigenes
anerkennen sollte, konnte gegen mich kein Anspruch erhoben werden, wenn ich
nicht einverstanden war. Aber Marian war dazu entschlossen gewesen, und damit
hatte sich der Fall .«
»Es ist...« Ich schluckte. »Das
ist doch — unglaublich .«
»Natürlich ist es das .« Rand kicherte. »Aber vergessen Sie nicht, daß das, was
vor zwanzig Jahren als Personenstandsbüro in einem kleinen Drecknest in San
Diego County galt, kaum dem glich, was heute wohl daraus geworden ist. Sie
müssen zugeben, daß so etwas damals vorkommen konnte !«
»Nein«, sagte ich entschlossen,
»ich glaube es einfach nicht !«
»Dann müssen Sie eben glauben,
daß ich Jennys Leiche aus dem Leichenschauhaus geklaut habe, als gerade niemand
hingesehen hat«, sagte er gelassen.
Er hatte natürlich recht. Ich
erinnerte mich, wie der Leichenhausangestellte vom Register abgelesen hatte:
»Anspruch erhoben vom Vater,
einem William Holt, San Diego .«
Es war der absolute Beweis für
Lee Rands Geschichte.
»Mr. Holman«, sagte er in
plötzlich ernstem Ton, »wenn dies je einem Gericht zu Ohren käme, geriete ich
selbstverständlich in ernsthafte Schwierigkeiten, vor allem, weil ich Jennys
Leiche unter Vorspiegelung falscher Tatsachen beansprucht habe .«
»Das sehe ich völlig ein, Mr.
Rand«, sagte ich. »Unsere Vereinbarung gilt, soweit sie mich anbelangt. Nichts
davon betrifft die beiden letzten Jahre von Jennys Leben .«
»Danke«, sagte er mit Wärme.
»Nun — Sie haben doch sicher noch eine Menge Fragen an mich zu richten ?«
»Ganz recht«, sagte ich. »Hat
Jenny je...«
Die Bibliothekstür fuhr mit
einem Krach auf, als ein großer athletisch aussehender Bursche ins Zimmer
geplatzt kam. Ein Schopf unordentlichen schwarzen Haares türmte sich über einem
massigen Gesicht mit dreisten, zu eng beieinanderstehenden Augen. Er mochte
nahe an Dreißig sein, schätzte ich, und er hätte, angefangen von einem
Wall-Street-Makler bis zu der jungen, aufgeweckten rechten Hand eines
Syndikatsbosses, alles sein können.
»Hallo, Dad«, sagte er mit
schroffer Stimme. »Wie stehen die Aktien ?«
»Gut«, sagte Rand. »Wie war’s
diesmal in Las Vegas ?«
»Okay, glaube ich .« Der Bursche zuckte gereizt die Schultern.
»Ich möchte dich Rick Holman
vorstellen«, sagte Rand. »Mr. Holman, das ist mein Sohn Edgar .«
Mein Erinnerungsvermögen gluckste
vergnügt, während wir uns die Hände schüttelten. Der Begleiter des Teenagers
Jennifer Monteigne auf diesem mir nur noch verschwommen erscheinenden Bild
hatte Rand geheißen, aber natürlich war es sein Sohn Edgar gewesen.
SIEBENTES KAPITEL
D er Butler
brachte ein Tablett mit frischgefüllten Gläsern herein und verschwand dann
wieder. Vater und Sohn waren plötzlich in eine Unterhaltung über die
prozentualen Chancen bei Blackjack im Verhältnis zu
normalem Würfeln verfallen. Es schien mir kein unmittelbar zu lösendes und
dringliches Problem zu sein, während ich dasaß und meine Daumen drehte — pro
Drehung dabei etwa hundert Dollar einheimsend, dem Honorar nach, das ich für
diesen Job von Monteigne erhielt, überlegte ich — aber die beiden schienen sich
bei ihrer Diskussion zu entspannen, und so entspannte ich mich auch.
Ich fragte mich träge, ob sich
vielleicht auch jemand eines Tages eine Rick- Holman -Bronzestatue
in seine Fensternische stellen würde, und kam zu dem Schluß, daß es mir lieber
wäre, wenn dies unterbliebe, weil dann die Aussicht bestand, daß der Bronze- Holman schnellstens zu einem
Weitere Kostenlose Bücher