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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Todesliste
setzen.«
    »Thomas.«
    »Ich mach bloß Scherze. Ich werde ihn bezahlen. Ich denk mir was
aus.«
    Am nächsten Tag in der Cafeteria nimmt Donny T. Wetten an, wie
viele Tage die Schule noch ausfallen wird, bevor der Winter vorbei ist. Die
höchste Wette lautet sechs, die niedrigste Null. Linda glaubt, daß Null der
Wahrheit wohl am nächsten kommt. Die winzigen Veränderungen des Lichts – seine
Stärke, der Einfallswinkel durch die Fenster – lassen darauf schließen, daß der
Frühling vor der Tür steht.
    Auf dem Fliesenboden unter ihrem Tisch liegt Schneematsch. Sie sitzt
allein da und hat nur noch fünf Minuten, bis der Unterricht beginnt. Sie
betrachtet den irisierenden Glanz auf dem undefinierbaren Stück Fleisch vor
sich, dazu die inzwischen kalte, klumpige Soße. Sie hätte besser von zu Hause
einen Apfel mitnehmen sollen.
    Sie sieht Donny T. an seinem Tisch zu: Wie flink er das Geld aus
ausgestreckten Fingern entgegennimmt, wie professionell er es in seinen
Jackentaschen verschwinden läßt, wie lässig er nebenbei Notizen auf eine
Serviette kritzelt, stets bereit, sie schnell zusammenzuknüllen, falls ein zu
neugieriger Lehrer vorbeikommen sollte. Er hat unternehmerische Fähigkeiten und
große Begabung.
    Sie ißt ein Stück von dem undefinierbaren Fleisch und betet schnell
zu Maria, daß sie Thomas helfen, ihn beschützen und leiten möge. Die Gebete
muten ein wenig mechanisch an, wenn auch nicht total mechanisch. Genauso hat
sie für Eileen gebetet, für Patty, als sie Masern hatte, für Erin, als sie eine
Fünf in Latein bekam. Sie stellt sich die Gebete als Luftballons vor und sieht
sie mit herabhängender Schnur an Wolken vorbei in den Äther aufsteigen. Ballons
der Hoffnung. Ein Gebet ist nichts anderes als ein Ballon voller Hoffnung.
    »Linda Fallon«, ertönt eine Stimme hinter ihr.
    Sie dreht sich um und schluckt schnell ein Stück von dem Fleisch
hinunter. »Mr. K.«, sagt sie.
    »Darf ich mich zu dir setzen?« fragt er.
    »Sicher«, antwortet sie und schiebt ihr Tablett zur Seite.
    »Ich möchte dich nicht vom Essen abhalten.«
    »Nein, ist schon in Ordnung«, sagt sie. »Es ist sowieso zum
Abgewöhnen.«
    »Wie wahr.«
    Mr. K., ein gedrungener, bulliger Typ mit stark gewölbter Brust, der
sich erfolglos bemüht, wie ein Professor auszusehen, schwingt die Beine über
die Bank. Er hält einen Becher Kaffee in der Hand, dessen Deckel er mit einem
Strohhalm durchstößt.
    »Weißt du«, sagt er, »ich bin nicht nur Englischlehrer, sondern auch
Schülerberater.«
    »Ich weiß«, antwortet sie.
    »Also, um es kurz zu machen, ich bin die Liste der Schüler
durchgegangen, die sich fürs College bewerben, und habe deinen Namen nicht
gefunden.«
    »Nein.«
    »Du hast dich nicht beworben?«
    Linda nimmt eine Spange aus dem Haar und setzt sie wieder ein.
»Nein.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    Sie streicht mit dem Finger über die Kante der Resopalplatte. »Ich
weiß nicht«, sagt sie.
    »Du bist sehr begabt«, sagt er und stochert noch immer an seinem
Deckel herum. »Deine Sätze sind sehr klar. Deine Arbeiten zeugen von Logik. Muß
ich sagen, daß das bei Schülerprosa ein seltener Vorzug ist?«
    Sie lächelt.
    »Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«
    Sie nickt.
    »Ist es aus finanziellen Gründen?«
    Sie hat es sich ausgerechnet: Selbst mit all dem Trinkgeld wäre sie
nicht in der Lage, die Unterrichtsgebühren zu bezahlen, und sie hat nicht ihre
gesamten Einkünfte gespart. Gebühren, Wohnen und Essen würden sich auf 3500
Dollar belaufen. Und das nur im ersten Jahr. »Es ist ziemlich teuer«, gibt sie
zu.
    Ohne hinzuzufügen, daß der wahre Grund für ihren Verzicht darin liegt,
daß sie nicht weiß, wie sie es ihrer Tante beibringen soll. Sie würde es nur
als einen weiteren Beweis dafür auffassen, daß Linda ihr voraus sein will, daß
sie ihre Cousins und Cousinen überflügeln will.
    »Du weißt doch, daß es Stipendien gibt«, sagt Mr. K.
    Sie nickt.
    »Es ist erst Ende Januar«, fährt er fort. »Zugegeben, für eine
formelle Bewerbung ist es zu spät, aber ich kenne einige Leute und Mr. Hanson
ebenfalls. Wir könnten ein paar Anrufe machen. Ich würde dir dabei helfen.«
    Verlegen sieht Linda zu Donny T. hinüber. Wird er sich ebenfalls
fürs College bewerben? Wird er ein Dieb, ein Spieler oder Banker werden? Sie
weiß noch nicht einmal, wo Thomas sich beworben hat. Sie hat das Thema mehr
oder weniger zum Tabu erklärt.
    »Ist bei dir zu Hause alles in Ordnung?« fragt

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