Der weiße Reiter
England verbreiten. Es tobt ein größerer Krieg,
Uhtred, ein größerer als der zwischen Sachsen und Dänen, nämlich der zwischen Gott und dem Teufel, zwischen Gut und Böse,
und wir sind ein Teil davon.»
«Ich habe mehr Dänen getötet, als Ihr Euch vorstellen könnt», sagte ich.
«Aber könnte es nicht sein, dass deine Frau vom Teufel gesandt wurde? Dass der Satan ihr Heilkraft verlieh, damit sie sich
das Vertrauen des Königs erschleicht und ihn dann, wenn er sich in aller Unschuld als Kundschafter unter seine Feinde wagt,
verrät?»
«Fürchtet Ihr, dass sie ihn verraten könnte», fragte ich böse, «oder dass ich ihn verraten könnte?»
«Deine Liebe zu den Dänen ist allen bekannt», antwortete Beocca, «dass du die Männer auf Palfleot verschont hast, war ein
jüngster Beweis dafür.»
«Ihr meint also, mir wäre nicht zu trauen.»
«Ich traue dir», erwiderte er halbherzig. «Aber wie steht es um die anderen Männer?» Er holte mit seiner verkrüppelten Hand
zu einer bedeutungsvollen Geste aus. «Doch solange Iseult hier ist …», er unterbrach sich und zuckte mit den Achseln.
«Sie soll also als Geisel zurückbleiben.»
«Sagen wir lieber als Unterpfand.»
«Ich habe dem König Treue geschworen», betonte ich.
«Was bedeuten dir Schwüre? Man kennt dich als Lügner. Du hast Frau und Kind und lebst doch mit einer heidnischen Hure zusammen.
Außerdem liebst du die Dänen wie dich selbst. Wie könnten wir dir vertrauen?» All das stieß er mit Bitterkeit hervor. «Ich
kannte dich schon, als du auf den Dielen der Bebbanburg herumgekrabbelt bist, |305| Uhtred. Ich habe dich getauft, unterrichtet, gezüchtigt und aufwachsen sehen. Niemand kennt dich so gut, wie ich es tue, und
ich traue dir nicht.» Beocca schaute mich herausfordernd an. «Falls der König nicht lebend zurückkehrt, Uhtred, lassen wir
deine Hure von den Hunden zerreißen.» Jetzt hatte er seine Botschaft übermittelt und schüttelte den Kopf, anscheinend selbst
bestürzt über seine harschen Worte. «Der König sollte nicht gehen. Du hast recht. Es ist Tollheit. Dummheit! Es ist», er suchte
nach dem schlimmsten Ausdruck, den sein Wortschatz zu bieten hatte, «verantwortungslos! Aber er besteht darauf, und wenn er
geht, musst du ihn begleiten, denn du bist hier der Einzige, der sich als Däne ausgeben kann. Und, Uhtred, ich flehe dich
an, bring ihn zurück, denn er ist Gott und allen Sachsen lieb und teuer.»
Mir nicht, dachte ich, mir war er nicht lieb und teuer. Als ich in der darauffolgenden Nacht über Beoccas Worte nachdachte,
war ich versucht, einfach zu gehen, mit Iseult heimlich den Sumpf zu verlassen. Doch da Ragnar vermutlich in der Geiselhaft
umgekommen war, hatte ich unter meinen Feinden keine Freunde mehr, denen ich mein Schwert hätte andienen können. Außerdem
hätte ich mit einer Flucht meinen Treueschwur gegenüber Alfred gebrochen, und die Leute hätten gesagt, dass man Uhtred von
Bebbanburg niemals wieder trauen dürfe. Also blieb ich und versuchte, Alfred von seinem Vorhaben abzubringen. Es war, wie
Beocca zutreffend gesagt hatte, verantwortungslos, doch Alfred ließ sich nicht beirren. «Wenn ich bliebe, würde es heißen,
dass ich mich vor den Dänen verstecke», sagte er. «Sollte ich mich verstecken, während andere ihnen die Stirn bieten? Nein.
Ich will aller Welt zeigen, dass ich lebe und kämpfe.» Zum ersten und einzigen Mal war ich mit Ælswith einer Meinung. |306| Wir beide versuchten, den König auf Æthelingæg zurückzuhalten, doch es half nicht. Alfred befand sich in einer merkwürdigen
Stimmung. Von seiner Krankheit halbwegs genesen, war er voller Tatendrang, zuversichtlich und glücklich in der Gewissheit,
dass ihm Gott zur Seite stand.
Er nahm sechs Begleiter mit auf die Reise. Der Priester war ein junger Mann namens Adelbert, der eine kleine, in Leder gewickelte
Harfe bei sich trug. Es erschien mir lächerlich, ein Musikinstrument zum Feind mitzunehmen, doch Alfred meinte, Adelbert sei
berühmt für seine Musik und dass es uns guttäte, das Lob Gottes zu singen, wenn wir bei den Dänen wären. Die anderen vier
waren erfahrene Kämpfer aus der königlichen Leibgarde. Sie hießen Osferth, Wulfrith, Beorth, und der vierte war Egwine. Er
musste Ælswith schwören, dass er den König zurückbringen werde. Für mich hatte sie nur einen geringschätzigen Blick übrig.
Was ich bei ihr dank der Heilung Edwards durch Iseult an Gunst erworben
Weitere Kostenlose Bücher