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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wenig aushältst, hättest du gar nicht erst mitkommen sollen», knurrte ich.
    «Wir müssen näher an die Stadt herankommen», sagte Alfred.
    «Nicht Ihr», entgegnete ich. «Aber ich werde gehen.» Im Westen der Stadtmauer hatte ich eine Koppel mit Pferden gesehen. Aus
     ihrer Anzahl konnte ich auf die Stärke des dänischen Heeres schließen, denn fast jeder Kämpfer hatte ein Pferd. Alfred wollte
     mich begleiten, doch ich schüttelte den Kopf. Es war unnötig, zu zweit |312| dorthin zu reiten, und vernünftiger, dass derjenige, der losritt, dänisch sprechen konnte. Ich versprach ihm, noch vor Anbruch
     der Dunkelheit wieder zurück zu sein, und machte mich auf den Weg. Cippanhamm lag auf einem Hügel, dessen Fuß an fast allen
     Seiten von einem Flusslauf begleitet wurde. Daher konnte ich nicht einfach um die Stadt herumreiten, aber ich wagte mich so
     weit wie möglich ans Ufer vor, schaute angestrengt auf die andere Seite und konnte keine Pferde entdecken. Was bedeutete,
     dass die Dänen all ihre Tiere im Westen der Stadt hielten. Ich machte mich dorthin auf den Weg, hielt mich im verschneiten
     Unterholz, und obwohl die Dänen mich vermutlich trotzdem gesehen hatten, hielten sie es nicht für nötig, wegen eines einzelnen
     Mannes in den Schnee hinauszureiten. Und so erreichte ich die Koppel, in der die Pferde zitterten. Den Rest des Tages verbrachte
     ich mit Zählen. Die meisten der Pferde standen auf den Feldern neben der königlichen Festung. Es waren Hunderte. Am späten
     Nachmittag war ich auf eine Zahl von zwölfhundert gekommen, und das waren nur die Tiere, die ich sehen konnte. Die besten
     Pferde waren bestimmt in der Stadt, doch glaubte ich, meine Schätzung würde auch so ausreichen. Ich konnte Alfred nun eine
     Vorstellung davon vermitteln, wie stark Guthrum war. In Cippanhamm lagen an die zweitausend Kämpfer. Weitere Hundertschaften
     hielten die anderen eingenommenen Städte von Wessex besetzt. Eine gewaltige Streitmacht, aber doch nicht stark genug, um das
     gesamte Königreich zu unterjochen. Damit würden sie bis zum Frühjahr warten müssen, wenn aus Dänemark und den drei eroberten
     Königreichen Englands Verstärkung anrückte. Bei Anbruch der Dunkelheit ritt ich zur Mühle zurück. Die Luft war klirrend kalt
     und still. Als ich vom Pferd abstieg, flogen drei Krähen |313| über den Fluss. Ohne mich weiter um das Pferd zu kümmern – einer von Alfreds Männern sollte es trocken reiben   –, wollte ich mich nur noch aufwärmen. Der Rauch, der aus einem Loch im Torfdach aufstieg, hatte mir schon von weitem angezeigt,
     dass trotz meiner Warnung Feuer gemacht worden war.
    Alle hockten um das Feuer, und ich gesellte mich zu ihnen und streckte meine Hände den Flammen entgegen. «Es sind ungefähr
     zweitausend Mann», sagte ich.
    Niemand antwortete.
    «Habt ihr mich nicht gehört?», fragte ich und schaute in die Runde.
    Ich sah fünf Gesichter. Nur fünf.
    «Wo ist der König?»
    «Unterwegs», antwortete Adelbert kleinlaut.
    «Was?»
    «Er ist in die Stadt gegangen», sagte der Priester. Er trug Alfreds prächtigen blauen Umhang, woraus ich schloss, dass der
     König in Adelberts schlichtem Gewand losgezogen war.
    Ich starrte ihn an. «Ihr habt ihn gehen lassen?»
    «Er hat darauf bestanden», sagte Egwine.
    «Wie hätten wir ihn halten können?», jammerte Adelbert. «Er ist der König.»
    «Ihr hättet dem Dummkopf eins verpassen sollen, natürlich», knurrte ich. «Ihr hättet ihn festhalten sollen, bis er wieder
     zur Vernunft gekommen wäre. Wann ist er gegangen?»
    «Gleich nachdem Ihr aufgebrochen seid», antwortete der Priester kläglich. «Er hat meine Harfe mitgenommen», fügte er hinzu.
    «Und wann will er wieder zurück sein?»
    «Wenn es dunkel wird.»
    |314| «Es wird dunkel», sagte ich und trat das Feuer aus. «Wollt Ihr, dass die Dänen kommen und nachsehen, was es mit dem Rauch
     auf sich hat?» Ich glaubte nicht, dass die Dänen wirklich kommen würden, aber ich wollte, dass die verfluchten Narren litten.
     «Du», sagte ich und zeigte auf einen der vier Soldaten, «reib mein Pferd trocken und gib ihm zu fressen.»
    Ich ging vor die Tür. Am Himmel zeigten sich die ersten Sterne, und der Schnee glitzerte unter einem Sichelmond.
    «Wo wollt Ihr hin?» Adelbert war mir nach draußen gefolgt.
    «Wohin schon? Den König suchen.»
    Falls er noch lebte. Und wenn er das nicht tat, war Iseult tot.
     
    Auf mein Klopfen am Westtor der Stadt meldete sich eine mürrische

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