Der weiße Reiter
Kämpfer, die uns im Frühjahr verstärken sollen», entgegnete Beocca, und ich fragte mich, wie es ein paar
mercischen Kriegern gelingen sollte, an den Dänen vorbeizukommen und uns zu erreichen. «Wir hoffen im Frühjahr auf unser Heil»,
fuhr Beocca fort. «Bis es so weit ist, will der König, dass einer von uns nach Cippanhamm geht.»
«Ein Priester», fragte ich säuerlich, «um mit Guthrum zu reden?»
«Ein Soldat», antwortete Beocca, «um sich ein Bild von der Kampfkraft der Dänen zu machen.»
«Dann soll er mich schicken», sagte ich.
Beocca nickte und hinkte weiter am Ufer entlang. Aus dem abfließenden Wasser tauchten die aus Weidenruten geflochtenen Fischreusen
auf. «Wie anders ist doch alles hier, wenn man dieses Land mit Northumbrien vergleicht», sagte er wehmütig.
Ich lächelte. «Vermisst Ihr die Bebbanburg?»
«Ich würde meine Tage gern auf Lindisfarena beschließen», sagte er, «und dort mein letztes Gebet sprechen.» Er wandte sich
um und betrachtete die Hügel im Osten. «Der König möchte auch selbst nach Cippanhamm gehen», sagte er plötzlich, als sei ihm
das eben erst eingefallen.
Ich glaubte, mich verhört zu haben, erkannte aber, dass dem nicht so war. «Das ist Tollheit», legte ich Widerspruch ein.
«Das ist das Königtum», erwiderte er.
|302| «Das Königtum?»
«Der Witan wählt den König», sagte Beocca streng, «und der König braucht das Vertrauen seines Volks. Wenn Alfred nach Cippanhamm
geht und sich unter seine Feinde wagt, wird das Volk wissen, dass er des Königtums würdig ist.»
«Und wenn man ihn gefangen nimmt», entgegnete ich, «wird das Volk wissen, dass sein König tot ist.»
«Darum musst du ihn beschützen», verlangte Beocca. Ich sagte nichts. Es war reine Tollheit, doch Alfred wollte unbedingt beweisen,
dass er die Königskrone verdiente. Immerhin hatte er sich den Thron von seinem Neffen widerrechtlich angeeignet, was er während
dieser frühen Jahre seiner Herrschaft niemals vergaß. «Ihr werdet als kleine Gruppe auf die Reise gehen», sagte Beocca. «Du
und ein paar andere Kämpfer, ein Priester und der König.»
«Wozu der Priester?»
«Zum Beten natürlich.»
Ich lachte höhnisch. «Wollt Ihr das etwa übernehmen?»
Beocca klopfte auf sein lahmes Bein. «Nicht ich. Ein junger Priester.»
«Es wäre besser, Iseult käme mit.»
«Nein.»
«Warum? Sie hält den König gesund.» Dank der von ihr verordneten Medizin erfreute sich der König seit neuestem bester Gesundheit.
Mit einem Sud aus Schöllkraut und Kletten hatte sie seine Schmerzen im Gesäß erfolgreich lindern können, und andere Kräuter
hatten seinen Magen beruhigt. Er bewegte sich mit neuem Schwung, hatte klare Augen und wirkte gekräftigt.
«Iseult bleibt hier», sagte Beocca.
|303| «Wenn Euch am Wohl des Königs gelegen ist, solltet Ihr sie mit uns ziehen lassen.»
«Sie bleibt», sagte Beocca, «weil uns am Wohl des Königs gelegen ist.»
Es dauerte ein paar Herzschläge lang, bis ich seine Worte richtig verstanden hatte, und als mir ihre Bedeutung klar wurde,
drehte ich mich so wütend zu ihm um, dass er stolpernd zurückwich. Ich sagte nichts, weil ich meinen eigenen Worten nicht
traute und fürchtete, dass sie in Gewalt umschlügen. Beocca rang um Fassung. «Wir leben in schwierigen Zeiten», sagte er klagend,
«deshalb kann der König nur denjenigen vertrauen, die Gott dienen, denjenigen, die in ihrer Liebe zu unserem Heiland mit ihm
verbunden sind.»
Ich beförderte vor Wut eine Aalreuse mit einem Fußtritt in den Fluss hinaus. «Eine Zeitlang», sagte ich, «habe ich Alfred
fast gemocht. Aber jetzt umgibt er sich wieder mit seinen Priestern, und ihr träufelt ihm Gift ein.»
«Er …», hob Beocca an.
Ich brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. «Wer hat ihn gerettet? Wer hat Sveins Schiffe verbrannt? Wer im Namen Eures
glücklosen Gottes hat Ubba getötet? Und Ihr vertraut mir immer noch nicht?»
Beocca fuchtelte mit den Armen herum und versuchte, mich zu beruhigen. «Ich fürchte, du bist ein Heide», sagte er. «Und deine
Frau ist ganz bestimmt eine Heidin.»
«Meine Frau hat Edward geheilt», schnappte ich. «Ist das nichts?»
«Es könnte bedeuten, dass sie mit dem Teufel im Bunde steht.»
Ich war sprachlos.
«Der Teufel verrichtet sein Werk in diesem Land», ereiferte sich Beocca. «Es wäre ihm nur recht, wenn Wessex |304| unterginge. Er will den König entmachten und seine eigene heidnische Brut über
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