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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Stimme, die wissen wollte, wer ich sei.
    «Warum seid ihr nicht oben auf der Brustwehr?», fragte ich zurück.
    Der Riegel wurde zur Seite geschoben und das Tor einen Spaltbreit geöffnet. Da stieß ich es wuchtig auf, sodass es den misstrauischen
     Wächter zum Taumeln brachte. «Ich laufe, weil mein Pferd lahmt.»
    Der Wächter stand wieder fest auf seinen Füßen und drückte das Tor zu. «Wer seid Ihr?», fragte er noch einmal.
    «Ein Botschafter von Svein.»
    «Svein!» Er schob den Riegel vor. «Hat er Alfred schon gefangen?»
    «Bevor ich dir das erzähle, werde ich Guthrum Bericht erstatten.»
    «War ja nur eine Frage», entschuldigte er sich.
    |315| «Wo ist Guthrum?», fragte ich, obwohl mir beileibe nicht der Sinn danach stand, dem dänischen Anführer nahe zu kommen. Nachdem
     ich seine tote Mutter so unverzeihlich beleidigt hatte, konnte ich im besten Fall auf einen schnellen Tod hoffen; wahrscheinlich
     aber wäre er langsam und qualvoll.
    «In Alfreds Palas», antwortete der Wächter und zeigte nach Süden. «Ganz in der Nähe.» Dass ein Bote Sveins niemals allein
     durch Wessex reiten würde, schien ihm nicht weiter aufzufallen. Vielleicht hatte die Kälte ihm das Gehirn vereist, und so
     reichte ihm der Anblick meiner langen Haare und breiten Armreifen, die mich wie einen Dänen aussehen ließen. Er kehrte in
     das Torhaus zurück, wo sich die anderen Wachen vor einem Feuer drängten, während ich in eine völlig verwandelte Stadt ging.
     Die Dänen hatten während ihres ersten Überfalls etliche Häuser niedergebrannt, und auch von der großen Kirche neben dem Marktplatz
     waren nur noch ein paar verkohlte Balken übriggeblieben. Die schlammigen, jetzt mit einer Eiskruste überzogenen Straßen waren
     verödet. Die Dänen hatten sich vor der Kälte in die Häuser zurückgezogen. Ich hörte sie singen und lachen. Licht sickerte
     durch die geschlossenen Fensterläden und glühte aus den Rauchöffnungen der niedrigen Dächer. Ich fror, und ich war wütend
     auf Alfred, der uns beide mit seiner Dummheit in Gefahr gebracht hatte. Ob er gar so töricht sein würde, in seinen Palas zurückzukehren?
     Obwohl ihm klar sein musste, dass jetzt Guthrum darin lebte? Nein, er würde unbedingt vermeiden wollen, von dem dänischen
     Anführer erkannt zu werden. Also war er vermutlich nicht in der königlichen Festung, sondern in der Stadt.
    Ich bog gerade in die Straße ein, die auf Eanflæds altes Gasthaus zuführte, als von Osten Gebrüll zu hören |316| war. Ich ging dem Geräusch nach und gelangte zu dem Nonnenkloster am Fluss. Die Pforte stand offen, und im Innenhof loderten
     zwei große Feuer, um die sich an die hundert Soldaten versammelt hatten. Mit lautem Gebrüll und wüsten Beschimpfungen stachelten
     sie zwei Männer an, die sich, mit Schwertern und Schilden bewaffnet, im Schlamm zwischen den beiden Feuern bekämpften. Sooft
     die Klingen oder Schilde krachend aufeinanderschlugen, ging ein heiseres Johlen durch die Menge. Ich warf einen kurzen Blick
     auf die beiden Kämpfer und suchte dann unter den Zuschauern nach Haesten oder jemand anderem, der mich möglicherweise erkennen
     konnte. Ich sah niemanden, doch die Gesichter waren im flackernden Schein der Feuer auch schwer auszumachen. Von den Nonnen,
     die hier lebten, fehlte jede Spur. Vermutlich waren sie geflohen, oder tot oder verschleppt worden, damit sich die Soldaten
     mit ihnen vergnügen konnten.
    Ich trug meinen Helm, und unter der Gesichtsplatte waren meine Züge unkenntlich. So schlich ich mich an der Mauer des Innenhofes
     entlang. Einige Männer warfen mir neugierige Blicke zu, denn es war ungewöhnlich, außerhalb des Schlachtfelds einen Helm zu
     tragen. Als ich mich schließlich halbwegs sicher fühlen konnte, weil ich kein bekanntes Gesicht entdeckte, nahm ich den Helm
     ab und hängte ihn an mein Waffengehenk. Aus der Nonnenkirche war eine Festhalle geworden, doch dort waren nur einige Trunkenbolde,
     die dem lärmenden Treiben im Hof keine Beachtung schenkten. Einem von ihnen stahl ich ein halbes Brot, kehrte damit nach draußen
     zurück und schaute dem Kampf zu.
    Einer der beiden Männer war Steapa Snotor. Statt seines Kettenhemdes trug er ein ledernes Wams. Er wehrte sich mit einem kleinen
     Schild und führte ein langes Schwert, |317| war aber an eine Kette gebunden, die von zwei Dänen gehalten wurde, und jedes Mal, wenn er seinem Gegner gefährlich nahe kam,
     zerrten die beiden an der Kette und brachten den riesigen

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