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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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jede verirrte Kuh ein Blutbad heraufbeschwören. Die Dänen aber traten das Recht mit Füßen.
     So kamen sie leichter an ihr Ziel. Hatten sie aber erst ein erobertes Land besiedelt, dann gaben auch sie sich Gesetze. «Es
     ist nicht deine Schuld», erwiderte ich. «Du hast keine Macht über das Schicksal.»
    «Hild sagt, dass es so etwas wie Schicksal nicht gibt.»
    «Dann irrt sie sich.»
    «Es gibt nur den Willen Gottes, und wenn wir ihm gehorchen, kommen wir in den Himmel.»
    «Und wenn wir nicht gehorchen», fragte ich, «greift nicht das Schicksal ein?»
    «Nein, der Teufel», antwortete Iseult. «Wir sind Schafe, Uhtred, und müssen entscheiden, ob wir einem guten oder einem schlechten
     Hirten folgen.»
    Ich dachte, Hild habe Iseult mit dem christlichen Glauben |395| verdorben. In Wirklichkeit aber steckte ein Priester dahinter. Er war nach Æthelingæg gekommen, als ich in Defnascir war,
     und hatte ihr seine Religion eingeblasen. Er stammte aus Dyfed und sprach Iseults Sprache, beherrschte aber auch Englisch
     und Dänisch. Ein ebenso hassenswerter Kerl wie Bruder Asser, dachte ich, doch am nächsten Morgen stolperte Pater Pyrlig in
     unsere Hütte und strahlte, weil er fünf Gänseeier gefunden hatte. «Sterben! Das tue ich gerade. Ich sterbe vor Hunger!», rief
     er. Er wirkte erfreut, mich zu sehen. «Ihr seid also der berühmte Uhtred, he? Iseult hat mir verraten, dass Ihr Bruder Asser
     nicht ausstehen könnt. Dann sind wir Freunde. Warum Abraham diesen Asser noch nicht zu sich geholt hat, kann ich mir wirklich
     nicht erklären, außer vielleicht damit, dass er mit so einem grässlichen Kerl auch nichts zu tun haben will. Ich würde jedenfalls
     gern auf ihn verzichten. Habe ich schon erwähnt, dass ich Hunger habe?»
    Er war doppelt so alt wie ich, ein bulliger Mann mit großem Wanst und großem Herz. Er hatte einen Wust von Haaren, die sich
     nicht bändigen ließen, eine gebrochene Nase, nur noch vier Zähne und ein breites Grinsen. «Als Kind habe ich immer Dreck gefressen»,
     sagte er. «Kaum zu glauben, was? Essen Sachsen Dreck? Natürlich tun sie das, aber ich wollte trotzdem keinen mehr essen. Dreck
     ist was für Kröten. Also bin ich Priester geworden. Und wisst Ihr warum? Weil mir noch nie ein hungriger Priester begegnet
     ist. Nie! Oder habt ihr schon einmal einen hungrigen Priester gesehen? Ich auch nicht!» Der ganze Wortschwall ergoss sich
     ohne Einleitung aus seinem Mund. Dann redete er ernsthaft mit Iseult in ihrer Sprache, und ich war sicher, dass er sie wieder
     mit christlichen Lehren traktierte, doch dann übersetzte er für mich. «Ich habe ihr gerade erklärt, dass sich aus Gänseeiern |396| eine sehr gute Speise zubereiten lässt. Man verrührt sie und krümelt ein bisschen Käse darüber. Und Defnascir ist wirklich
     sicher?»
    «Außer die Dänen schicken eine Flotte», antwortete ich.
    «Genau das hat Guthrum vor», sagte Pyrlig. «Er will, dass die Dänen aus Lundene ihre Schiffe an die Südküste bringen.»
    «Das wisst Ihr?»
    «Allerdings. Er hat es mir selbst gesagt. Ich war gerade zehn Tage in Cippanhamm. Schlau wie ich bin, kann ich auch Dänisch.
     Darum hat mich mein König als Gesandter dorthin geschickt. Zerkrümele den Käse noch ein bisschen mehr, meine Liebe. Ja, genau
     so. Ich sollte nämlich herausfinden, wie viel Guthrum uns dafür zahlen würde, dass wir unsere Speerwerfer über die Hügel bringen,
     damit sie die Sachsen aufspießen. Sachsen aufspießen ist für jeden Britonen ein edles Ziel, aber die Dänen sind Heiden, und
     Gott weiß, dass wir Heiden nicht frei in der Welt herumlaufen lassen sollten.»
    «Und warum nicht?»
    «Ach, das ist eben so eine Grille von mir», sagte er. Dann steckte er seinen Zeigefinger in ein winziges Butterfässchen und
     leckte ihn ab. «Ja, ein bisschen ranzig, aber noch gut», sagte er zu Iseult. «Also rühr sie hinein.» Er grinste mich an. «Was
     passiert, wenn man zwei Bullen in eine Herde Kühe stellt?»
    «Ein Bulle stirbt.»
    «Genau! Und so sind auch die Götter. Darum wollen wir keine Heiden hier haben. Wir sind die Kühe, und die Götter sind die
     Bullen.»
    «Und wir lassen uns von ihnen bespringen?»
    Er lachte. «Die Theologie ist eine schwierige Sache. |397| Wie dem auch sei, Gott ist mein Bulle, darum bin ich hier und berichte den Sachsen, was Guthrum vorhat.»
    «Hat er Euch Geld angeboten?», fragte ich.
    «Er hat mir alle Schätze dieser Welt versprochen. Gold, Silber, Bernstein und Jett. Sogar

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