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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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scharf, wie es hätte sein können, denn der Hieb riss Odda zu Boden, und aus der klaffenden Wunde schoss das Blut im hohen
     Bogen in die Luft und regnete dann auf die Feuerstelle herab, wo es zischend verdampfte. Odda lag mit zuckenden Beinen auf
     dem Boden und umklammerte seine Kehle, aus der immer noch stoßweise das Blut kam. Er machte ein gurgelndes Geräusch, wälzte
     sich auf den Rücken und verfiel in Krämpfe. Seine Fersen trommelten in die Binsenspreu auf dem Boden, und gerade als Steapa
     zu ihm trat, um ihm den Todesstoß zu versetzen, zuckte er ein letztes Mal und war tot.
    Steapa stieß die Spitze des Schwertes in den Boden und ließ es zitternd darin stecken. «Alfred hat mich gerettet», rief er
     durch den Raum. «Er hat mich aus dänischer Gefangenschaft befreit. Er ist mein König.»
    «Und wir haben ihm Treue geschworen», fügte Odda der Ältere hinzu. «Mein Sohn hatte nicht das Recht, mit den Heiden Frieden
     zu schließen.»
    Die Dänen wichen zurück. Svein sah mich an, denn ich hielt immer noch das Schwert in der Hand. Er warf einen Blick auf die
     Jagdspieße, die an der Wand lehnten, und schien zu überlegen, ob er einen davon schnappen konnte, |389| ehe ich zuschlagen würde. Ich senkte die Klinge. «Wir haben Waffenruhe», rief Harald.
    «Wir haben Waffenruhe», sagte ich auf Dänisch zu Svein.
    Svein spuckte auf die blutdurchtränkte Spreu und zog sich mit seinem Bannerträger weiter von mir zurück.
    «Aber morgen», sagte Harald, «gilt die Waffenruhe nicht mehr. Dann kommen wir und töten euch.»
    Die Dänen ritten davon. Am nächsten Tag zogen sie auch aus Cridianton ab. Sie hätten mit ihren vielen Kämpfern auch bleiben,
     die Stadt verteidigen und weiterhin Unheil in der Grafschaft verbreiten können, doch Svein wusste, dass er mit einer Belagerung
     zu rechnen hatte, die seine Truppen Mann für Mann aufgerieben hätte, also zog er in den Norden, um sich mit Guthrum zusammenzuschließen.
    Ich ritt nach Oxton. Die Landschaft hatte nie schöner ausgesehen. Die Bäume waren von einem grünen Hauch überzogen, Finken
     labten sich an den Beeren des vergangenen Jahres, und in geschützten Winkeln schimmerten blühende Anemonen, Sternmieren und
     weiße Veilchen. Lämmer flüchteten vor den Feldhasen auf den Weiden, und die Sonne strahlte über der weiten Uisc-Mündung. Der
     Himmel war erfüllt von Lerchengesang, und darunter rissen die Füchse Lämmer. Elstern und Eichelhäher plünderten Nester, und
     nach dem Pflügen spießten die Bauern am Rand ihrer Felder Krähen auf, um eine gute Ernte zu beschwören.
    «Es wird bald Butter geben», erzählte mir eine Frau. Dann wollte sie wissen, ob ich auf mein Anwesen zurückkehrte, doch das
     tat ich nicht. Es war ein Abschiedsbesuch. Die Knechte und Mägde taten ihre Arbeit, und ich versicherte ihnen, dass Mildrith
     bald einen Verwalter einstellen |390| werde. Später ging ich in den Palas und fand im Lehmboden vor dem Eckpfosten mein Vermögen, das ich dort vergraben hatte,
     unberührt wieder. Die Dänen hatten Oxton nicht heimgesucht. Als Wirken, der durchtriebene Priester von Exanmynster, hörte,
     dass ich gekommen war, ritt er auf einem Esel herbei und versicherte mir, dass er ein wachsames Auge auf mein Anwesen gehabt
     habe. Offenbar erwartete er eine Belohnung. «Es gehört jetzt Mildrith», sagte ich.
    «Der Herrin? Lebt sie denn noch?»
    «Sie lebt», antwortete ich kurz angebunden, «aber ihr Sohn ist tot.»
    «Gott erbarme sich seiner armen Seele», sagte Wirken und bekreuzigte sich. Ich aß gerade ein Stück Schinken. Er sah mir hungrig
     dabei zu, verlor aber kein Wort darüber, dass ich mich nicht an die Fastenregeln hielt. Im Stillen jedoch, so wusste ich,
     verfluchte er mich als Heiden.
    «Und die Herrin», sagte ich, «wird jetzt ein keusches Leben führen. Sie will dem Schwesternorden von Cridianton beitreten.»
    «Es gibt dort keine Schwestern mehr», erklärte Wirken. «Sie sind alle tot. Dafür haben die Dänen gesorgt, ehe sie aus der
     Stadt abgezogen sind.»
    «Es werden sich andere Nonnen dort niederlassen», sagte ich. Nicht dass es mich kümmerte, denn das Schicksal eines kleinen
     Nonnenklosters ging mich nichts an. Auch Oxton ging mich nichts mehr an. Aber die Dänen gingen mich etwas an, und die Dänen
     waren nach Norden gezogen, und ich würde ihnen folgen.
    Denn das war mein Leben. Ich war in diesem Frühjahr einundzwanzig Jahre alt und hatte schon die Hälfte meines Lebens unter
     Kriegern

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