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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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zugebracht. Ich war kein Bauer. Sooft ich den Knechten zusah, wie sie die Quecken |391| auf den Feldern jäteten, wurde mir aufs neue bewusst, dass mich solche Arbeit langweilte. Ich war ein Krieger. Vertrieben
     vom Stammsitz meiner Familie, hatte es mich in den Süden Englands verschlagen. Und während Wirken davon schwätzte, wie sorgsam
     er den Winter über unsere Scheunen bewacht hatte, dachte ich daran, dass ich wieder in den Norden ziehen würde. Immer weiter
     in den Norden. Zurück nach Hause.
    «Ihr habt den Winter über von den Vorräten gelebt», unterstellte ich dem Priester.
    «Ich habe sie gehütet, Herr.»
    «Und vom Hüten seid Ihr dick und fett geworden», sagte ich und stieg in den Sattel, an dem zwei Beutel voller Geld hingen.
     Ich ritt nach Exanceaster und fand Steapa wie verabredet im Gasthof Zum Schwan. Am nächsten Morgen ritten wir mit sechs Kämpfern
     von Oddas Leibwache nach Norden. Unseren Weg zeichneten Rauchsäulen vor, denn Svein plünderte und raubte auf seinem Rückzug,
     aber wir hatten getan, was Alfred von uns gewollt hatte. Wir hatten Svein zu Guthrum zurückgetrieben. Die beiden größten Dänenheere
     waren jetzt vereint. Wäre Alfred stärker gewesen, hätte er die beiden Heere nacheinander bekämpfen können. Doch Alfred wusste,
     dass er nur eine Gelegenheit bekommen würde, sein Königreich zurückzugewinnen, und dafür musste er in einer einzigen großen
     Schlacht siegen. Alle Dänen mussten mit einem Schlag vernichtet werden. Die Armee, mit der er diesen Schlag führen wollte,
     gab es allerdings bisher nur in seinem Kopf. Er hatte den Fyrd von Wessex für die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten einberufen,
     aber ob das Heer dann wirklich in ausreichender Stärke an dem verabredeten Treffpunkt zusammenkommen würde, wusste niemand.
     In Wahrheit war Alfred zu schwach, um sich |392| einem solchen Kampf gegen die Dänen zu stellen, aber länger zu warten würde ihn nur noch weiter schwächen. Also musste er
     kämpfen, oder er würde sein Königreich verlieren.
    Wir würden kämpfen.

|393| ELF
    «Du wirst viele Söhne haben», sagte Iseult zu mir. Es war dunkel, Nebel verhüllte den Halbmond. Zwischen den Hügeln im Nordosten
     brannten Dutzende Feuer, die davon zeugten, wie streng die Dänen das Sumpfland bewachten. «Und dennoch tut es mir um Uhtred
     leid.»
    Ich weinte um ihn. Warum die Tränen so lange auf sich hatten warten lassen, weiß ich nicht, aber plötzlich überwältigte mich
     der Gedanke an seine Hilflosigkeit, an sein unvermitteltes Lächeln und daran, wie erbarmungswürdig das alles war. Auch meine
     Halbbrüder und meine Halbschwester waren schon im Säuglingsalter gestorben. Ich kann mich nicht daran erinnern, meinen Vater
     deshalb weinen gesehen zu haben, obwohl er es vielleicht doch getan hat. Meine Stiefmutter schrie vor Kummer, das weiß ich
     noch und auch, dass mein Vater, von ihrem Geheul abgeschreckt, mit seinen Falken und Hunden auf die Jagd ging.
    «Ich habe gestern drei Eisvögel gesehen», sagte Iseult.
    Tränen liefen über meine Wangen und ließen den Nebelmond verschwinden. Ich sagte nichts.
    «Hild sagt, das Blau im Gefieder des Eisvogels stehe für die Jungfrau Maria und das Rot für das Blut Christi.»
    «Und was sagst du?»
    «Dass ich den Tod deines Sohnes verschuldet habe.»
    «Wyrd bið ful aræd», sagte ich. Dem Schicksal ist alles unterworfen. Es lässt sich nicht lenken oder überlisten. Alfred hatte
     darauf bestanden, dass ich Mildrith zur Frau nahm, weil ich im fruchtbaren Boden von Wessex |394| Wurzeln schlagen sollte. Aber meine Wurzeln waren in Northumbrien, Wurzeln, die sich tief in die Felsen der Bebbanburg eingegraben
     hatten. Vielleicht wollten mir die Götter mit dem Tod meines Sohnes zu verstehen geben, dass ich kein neues Zuhause finden
     würde. Das Schicksal wollte, dass ich zu meiner Festung im Norden zurückkehrte, und solange ich die Bebbanburg nicht erreicht
     hätte, bliebe ich ein Wanderer. Wanderer werden gefürchtet, denn sie kennen keine Regeln. Die Dänen kamen als Fremde, sie
     waren unverwurzelt und gewalttätig, und gerade deswegen, so dachte ich, fühlte ich mich bei ihnen so wohl. Alfred konnte sich
     stundenlang über die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes den Kopf zerbrechen, ob es nun das Schicksal von Waisenkindern oder die
     Unantastbarkeit von Grenzsteinen betraf. Und er tat gut daran, sich solche Sorgen zu machen, denn kein Volk kann ohne Gesetze
     leben. Wenn es sie nicht gäbe, würde

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