Der weiße Reiter
Frauen hat er mir angeboten oder
kleine Jungen, falls das mehr nach meinem Geschmack wäre, was es nicht ist. Ich habe ihm natürlich kein Wort geglaubt, aber
das war auch nicht entscheidend. Die Britonen werden ohnehin nicht kämpfen. Gott will nicht, dass wir kämpfen. Meine Gesandtschaft
war nur eine List. Bruder Asser hat mich geschickt. Er wollte, dass ich auskundschafte, was die Dänen vorhaben, versteht Ihr?
Und dann sollte ich Alfred erzählen, was ich erfahren habe. Darum bin ich hier.»
«Asser hat Euch geschickt?»
«Er will, dass Alfred gewinnt. Nicht weil er die Sachsen liebt, denn so verschroben ist nicht einmal Bruder Asser, sondern
aus Liebe zu Gott.»
«Wird Alfred denn gewinnen?»
«Wenn Gott dabei etwas zu entscheiden hat, ja», antwortete Pyrlig frohgemut. Dann zuckte er mit den Schultern. «Allerdings
sind die Dänen stark. Sie haben ein riesiges Heer! Trotzdem sind sie nicht gerade gut gelaunt, das kann ich Euch versichern.
Und Hunger haben sie. Nicht dass sie vom Fleisch fallen, aber sie müssen doch die Gürtel enger schnallen, als ihnen lieb ist.
Und jetzt, da auch noch Svein mit seinen Leuten dazugestoßen ist, bleibt für jeden noch weniger zu essen übrig. Daran sind
sie natürlich selbst schuld. Bei so vielen Männern und Frauen in Cippanhamm! Und dann noch all die Sklaven! Sie haben Dutzende
von Sklaven! Guthrum lässt sie jetzt nach Lundene bringen und dort verkaufen. Was die Dänen bräuchten, wären ein paar hübsche
junge Aale, oder? Die machen ordentlich satt.» |398| Die Sæfern-See war voll von den jungen Glasaalen, die in die flachen Wasserläufe des Sumpfes schwammen und zuhauf in Netzen
gefangen wurden. Hunger litt niemand auf Æthelingæg, nicht, solange es Glasaale gab. «Gestern habe ich drei Körbe voll gefangen»,
sagte Pyrlig. «Und einen Frosch, der genauso aussah wie Bruder Asser. Darum habe ich ihn gesegnet und ins Wasser zurückgeworfen.
Die Eier nicht einfach nur rühren, meine Liebe. Schlag sie! Ich hörte, dass Euer Sohn gestorben ist.»
«Ja.»
«Das tut mir sehr leid für Euch», sagte er mit echter Anteilnahme. «Es ist grauenvoll, ein Kind zu verlieren. Manchmal denke
ich, dass Gott unsere Kinder besonders gern hat. Er nimmt so viele zu sich. Ich glaube, es gibt im Himmel einen Garten, einen
blühenden Garten, in dem die Kinder die ganze Zeit spielen. Er hat jetzt auch zwei Söhne von mir da oben. Ich wette, der kleinste
treibt die Engel zur Verzweiflung. Er zieht bestimmt die Mädchen an den Haaren und schlägt die anderen Jungen wie Iseult die
Gänseeier.»
«Ihr habt zwei Söhne verloren?»
«Ja, aber drei sind mir geblieben. Und vier Töchter. Was glaubt Ihr, warum ich so selten zu Hause bin?» Er grinste. «Immer
dieser Lärm, kaum auszuhalten. Und diese Gefräßigkeit! Herrje, wenn sie könnten, würden sie jeden Tag ein ganzes Pferd verschlingen.
Manche Leute sind der Meinung, dass Priester nicht heiraten sollten, und manchmal glaube ich, dass sie durchaus recht haben
könnten. Ist noch etwas Brot übrig, meine Kleine?»
Iseult deutete auf ein Netz, das unterm Dach hing. «Schneid den Schimmel ab», sagte sie zu mir.
«Ich sehe es gern, wenn ein Mann einer Frau gehorcht», sagte Pater Pyrlig, als ich das Brot holte.
|399| «Und warum?», fragte ich.
«Weil das bedeutet, dass ich in dieser traurigen Welt nicht allein bin. Aber diese Ælswith, gütiger Himmel, die wurde wohl
mit dem Saft von Galläpfeln gestillt. Und ihre Zunge ist so spitz, als wäre sie ein ausgehungertes Wiesel. Armer Alfred.»
«Es geht ihm doch gut.»
«Ganz und gar nicht. Manche Leute lassen sich von Gott wie von einer Krankheit anstecken, und er ist auch einer von der Sorte.
Ihm geht es wie einer Kuh nach einem langem Winter.»
«So?»
«Ihr wisst doch, was geschieht, wenn im Frühling grünes, fettes Gras sprießt und die arme Kuh auf die Weide getrieben wird.
Sie quillt auf wie eine Blase und besteht fast nur noch aus Scheiße und Winden. Und dann fällt sie tot um, wenn man sie nicht
eine Zeitlang von der Weide holt. Genauso ist es mit Alfred. Er hat sich an dem fetten grünen Gras unserer Heilslehre überfressen
und muss nun unter schrecklichen Bauchschmerzen leiden. Aber er ist ein guter Mann. Ein bisschen zu hager zwar, aber gut.
Ein wahrhaftiger Heiliger, nichts anderes. Ja, meine Liebe, ja, lasst uns essen.» Er angelte mit den Fingern einen Happen
aus dem Topf und reichte ihn mir weiter. «Dem Himmel
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