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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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geräucherte Makrelen
     und Käse auftischte. «Es wird ein christlicher Frieden herrschen», sagte Willibald, der über dem Brot das Zeichen des Kreuzes
     schlug, bevor er zu essen anfing, «und er ist mit den Geiseln besiegelt worden.»
    «Wir haben Guthrum doch nicht wieder Geiseln überlassen?», fragte ich erstaunt.
    «Nein», antwortete Willibald. «Diesmal haben wir Geiseln von ihm bekommen, darunter sechs Grafen.»
    Ich hörte auf, die Klinge zu wetzen, und blickte Willibald an. «Sechs Grafen?»
    «Euer Freund Ragnar ist einer von ihnen.» Willibald schien sich über diese Nachricht zu freuen, ich aber war entsetzt. Wenn
     Ragnar nicht bei der dänischen Streitmacht war, konnte ich mich ihnen nicht anschließen. Er war mein Freund, und seine Feinde
     waren meine Feinde, aber ohne Ragnars Schutz wäre ich Kjartan und Sven gegenüber zu verletzlich. Sie hatten Ragnars Vater
     getötet und trachteten auch mir nach dem Leben. Ohne Ragnar, das war sicher, würde ich Wessex nicht verlassen können.
    |51| «Ragnar ist eine der Geiseln?», fragte ich. «Seid Ihr sicher?»
    «Ja, ganz sicher. Sie werden alle von Aldermann Wulfhere in Gewahrsam genommen.»
    «Für wie lange?»
    «Solange es Alfred wünscht oder bis Guthrum getauft worden ist. Guthrum hat sich auch einverstanden erklärt, dass unsere Priester
     mit seinen Männern sprechen.» Willibald sah mich flehentlich an. «Wir müssen auf Gott vertrauen», sagte er. «Wir müssen ihm
     Zeit lassen, um die Herzen der Dänen für sich zu gewinnen. Guthrum hat schon begriffen, dass unser Gott allmächtig ist!»
    Ich ging zur Tür, schob den ledernen Vorhang beiseite und blickte auf die weite Flussmündung der Uisc hinab. Mir war elend
     zumute. Ich hasste Alfred, ich wollte von Wessex weg, aber jetzt musste ich anscheinend trotzdem bleiben. «Und was soll ich
     machen?», fragte ich.
    «Der König wird Euch vergeben, Herr», antwortete Willibald nervös.
    «Mir vergeben?» Ich wandte mich zu ihm. «Was, glaubt der König denn, ist vor Cynuit geschehen? Ihr wart dort, Pater. Habt
     Ihr es ihm gesagt?»
    «Ja.»
    «Und?»
    «Er hält Euch für einen tapferen Krieger und weiß, wie wichtig Eure Kampfkraft für Wessex ist. Ich bin sicher, er wird Euch
     mit Freuden wieder in seine Reihen aufnehmen. Geht in die Kirche, begleicht Eure Schulden und beweist, dass Ihr ein guter
     Mann aus Wessex seid.»
    «Ich bin kein Westsachse», knurrte ich. «Ich bin Northumbrier!»
    Genau das war ein Teil des Problems. Ich war ein Außenseiter. Ich sprach ein anderes Englisch. Die Westsachsen |52| unterhielten enge Familienbande; ich aber kam aus dem fremden Norden. Für das Volk war ich ein Heide. Es nannte mich einen
     Mörder, weil ich Oswald getötet hatte, und wenn ich über Land ritt, bekreuzigten sich die Leute aus Angst vor Unheil. Sie
     nannten mich Uhtredærwe, was Uhtred der Böse bedeutet. Mir konnte diese Beleidigung nichts anhaben, aber Mildrith litt darunter.
     Sie versicherte allen, dass ich ein Christ sei. Doch das war gelogen, und unser Unglück währte den ganzen Sommer. Sie betete
     für mein Seelenheil, während ich mich nach Freiheit sehnte, und sooft sie mich bat, mit ihr nach Exanmynster zur Kirche zu
     gehen, knurrte ich sie an, dass ich mein Lebtag keine Kirche mehr betreten würde. Dann weinte sie und trieb mich mit ihren
     Tränen aus dem Haus auf die Jagd, und manchmal führten mich meine Streifzüge zu einer Stelle am Ufer der Uisc, wo ich die
Heahengel
anstarrte.
    Sie lag, zur Seite geneigt, im Uferschlick, verlassen und den Gezeiten ausgeliefert. Einst gehörte sie zu Alfreds Flotte aus
     zwölf großen Kriegsschiffen, die er hatte bauen lassen, um die Dänen in die Flucht zu schlagen, die mit ihren Raubzügen die
     Küste von Wessex bedrohten. Gemeinsam mit Leofric hatte ich auf der
Heahengel
Guthrums Flotte von Hamtun aus verfolgt und das Ungewitter überlebt, das so vielen Dänen zum Verhängnis geworden war. Hier,
     an dieser Stelle, waren wir gestrandet und hatten die
Heahengel
mit geknicktem Mast und ohne Segel aufgegeben, dem Verfall und dem Vergessen ausgeliefert.
    Erzengel. Das bedeutete ihr Name, auf den Alfred sie getauft hatte. Mir war diese Bezeichnung immer zuwider gewesen. Ein Schiff
     verdiente einen stolzen Namen und kein frömmelndes Bekenntnis. Und es sollte ein prächtiges Tier am Steven tragen, hoch aufragend
     und herausfordernd, ein Drachenkopf, der dem Meer trotzte, oder |53| ein zähnefletschender Wolf, der den Feind in Angst und

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