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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Schrecken versetzte. Manchmal stieg ich an Bord der
Heahengel
, bemerkte die Plünderungen der Dorfbewohner und das Wasser in ihrem Rumpf und erinnerte mich an die stolzen Tage auf hoher
     See, an die vom Wind geblähten Segel aus Robbenhaut und das Krachen, wenn wir ein dänisches Boot gerammt hatten.
    Gleich der
Heahengel
fühlte auch ich mich wie ein Wrack, nutzlos und vom Kurs abgekommen, und manchmal träumte ich davon, sie wieder flottzumachen,
     neues Takelwerk, neue Segel und eine Mannschaft zu finden, mit der ich wieder in See stechen könnte. Ich wollte nur noch weg,
     ganz gleich wohin, am liebsten zurück zu den Dänen, und sooft ich Mildrith meine Wünsche anvertraute, fing sie wieder zu weinen
     an. «Es kann doch nicht dein Ernst sein, mich unter Dänen leben zu lassen.»
    «Warum denn nicht? Mir hat es gutgetan.»
    «Sie sind Heiden. Ich will nicht, dass mein Sohn als Heide aufwächst.»
    «Er ist auch mein Sohn», entgegnete ich. «Er wird die Götter verehren, die ich verehre.» Auf solche Worte folgten noch mehr
     Tränen, und ich stürmte dann aus dem Haus, ging mit den Hunden in den Wald und wunderte mich darüber, dass Liebe sauer wird
     wie Milch. Nach Cynuit war ich so voll Sehnsucht nach Mildrith gewesen, doch jetzt konnte ich ihr Gejammer ebenso wenig ertragen
     wie sie meinen Groll. Wenn es nach ihr ging, sollte ich meine Felder bestellen, meine Kühe melken und meine Ernte einfahren,
     um die enormen Schulden zu bezahlen, die sie mit in die Ehe gebracht hatte. Diese Schulden stammten von einem Versprechen
     ihres Vaters, der sich verpflichtet hatte, die Hälfte aller Erträge seiner Länder an die Kirche abzutreten. Schlechte Ernten
     und die Raubzüge der Dänen |54| hatten ihn an den Rand des Ruins geführt, dennoch bestand die Kirche, böse wie eine Giftschlange, auf der Einhaltung des Versprechens,
     das auch die Erben band. Wenn ich die Schulden nicht begleichen könne, so wurde mir von der Kirche beschieden, würde unser
     Land von Mönchen übernommen, und sooft ich nach Exanceaster kam, war mir, als würden sich die Priester und Mönche über die
     Aussicht auf diesen Landgewinn schon die Hände reiben. Exanceaster war jetzt wieder englisch, denn Guthrum hatte die Geiseln
     an Alfred ausgeliefert und sich nach Norden zurückgezogen. Die Fyrds – also die Streitkräfte der einzelnen Grafschaften –
     waren aufgelöst worden. Frieden zog ein, in allen Kirchen wurde psalmodiert, und zum Zeichen seines Sieges bedachte Alfred
     sämtliche Klöster und Nonnenstifte mit großzügigen Geschenken. Odda der Jüngere wurde als Held gefeiert. Er durfte das Land,
     auf dem die erfolgreiche Schlacht gegen die Dänen stattgefunden hatte, sein Eigen nennen und ließ dort eine Kirche errichten,
     deren Altar angeblich aus purem Gold sein sollte, um Gott zu danken, dass er Wessex vor dem Untergang bewahrt hatte.
    Doch wie lange bliebe Wessex verschont? Guthrum lebte schließlich noch, und ich teilte den christlichen Glauben nicht, wonach
     Gott dem Land Frieden geschenkt habe. Es gab auch noch andere, die daran zweifelten. Gegen Mittsommer kehrte Alfred nach Exanceaster
     zurück, wo er seinen Witan einberief, einen aus den führenden Thegn und Geistlichen des Königreiches bestehenden Rat, zu dem
     auch Wulfhere von Wiltunscir gehörte. Als ich einmal in die Stadt kam, erfuhr ich, dass der Aldermann und sein Gefolge im
     Schwan Quartier bezogen, einem Gasthaus am östlichen Stadttor. Wulfhere war gerade nicht dort, wohl aber Alfreds Neffe Æthelwold,
     der sich redlich Mühe gab, |55| die Biervorräte wegzutrinken. «Erzähl mir nicht, dass der Bastard auch dich in den Witan bestellt hat», grüßte er mich mürrisch.
     Mit «Bastard» war Alfred gemeint, der dem jungen Æthelwold das Recht auf die Krone streitig gemacht hatte.
    «Nein», entgegnete ich. «Ich bin gekommen, um Wulfhere zu sprechen.»
    «Der Aldermann ist in der Kirche», erklärte Æthelwold, «wo auch ich sein sollte.» Er grinste und forderte mich mit einem Wink
     auf, am Tisch Platz zu nehmen. «Setz dich und stoß mit mir an. Lass dich volllaufen. Anschließend schnappen wir uns zwei Mädchen.
     Drei, wenn du willst. Oder doch besser gleich vier?»
    «Du vergisst, dass ich verheiratet bin», erwiderte ich.
    «Aber das macht doch nichts.»
    Ich setzte mich und ließ mir einen Krug Bier bringen. «Gehörst du zum Witan?», fragte ich.
    «Träumst du? Glaubst du vielleicht, dieser Bastard will meinen Rat hören?

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