Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
uns willkommen hieß. Vorher nahmen wir weitere Geiseln. Es waren drei junge Männer, alle, wie uns
     versichert wurde, Söhne von Peredur. Ich ließ sie auf die
Fyrdraca
bringen und gab der Mannschaft den Befehl, sie zu töten, falls wir, Haesten, Cenwulf und ich, nicht zurückkehrten. In voller
     Rüstung und mit poliertem Helm ging ich, von meinen beiden Freunden begleitet, an Land, ängstlich beäugt von Peredurs Volk.
     Der ganze Ort stank nach Fisch und Kot. Die Bewohner gingen in Lumpen, und ihre heruntergekommenen Hütten klebten wie Schwalbennester
     am Steilhang. Den Hügel krönte Peredurs Palas. Daneben stand eine Kapelle mit dick bemoostem Strohdach und einem Giebelkreuz
     aus verwittertem Treibholz.
    Peredur war ungefähr doppelt so alt wie ich, ein gedrungener Mann mit lebhafter Miene und schwarzem Bart, dessen Enden er
     zu zwei Spitzen gezwirbelt hatte. Er begrüßte uns von einem Thron, der nicht mehr als ein Stuhl mit hoher Rückenlehne war,
     und schien zu erwarten, dass wir uns vor ihm verbeugten. Als wir es nicht taten, zog er ein grimmiges Gesicht. Er hatte zwölf
     Männer bei sich, offenbar seine Höflinge, obwohl keiner von ihnen wohlhabend aussah. Mit Ausnahme eines jungen Mannes, der
     den Habit eines christlichen Mönchs trug, waren sie alle schon älter. In der geschwärzten Halle stach er hervor wie ein Rabe
     zwischen Möwen, denn sein schwarzes Gewand war sauber, sein Gesicht rasiert und das tonsurierte Haar |84| sorgfältig geschnitten. Er war kaum älter als ich und von hagerer Gestalt. Seine ernste Miene verriet Klugheit und auch, dass
     er uns als Heiden verabscheute, die wir, Haesten und ich, ja auch waren; Cenwulf hatte ich befohlen, kein Wort zu sagen und
     sein Kruzifix versteckt zu halten. Der Mönch sprach dänisch, und das sehr viel besser als Pater Mardoc. «Der König grüßt Euch»,
     sagte er. Seine Stimme war so dünn wie seine Lippen und so unfreundlich wie seine blassgrünen Augen. «Er grüßt Euch und will
     wissen, wer Ihr seid.»
    «Mein Name ist Uhtred Ragnarson», sagte ich.
    «Warum seid Ihr hier, Uhtred Ragnarson?»
    Statt zu antworten, musterte ich ihn. Ich sah ihn nicht einfach an, sondern ich vermaß ihn mit meinen Blicken, wie man einen
     Ochsen betrachtet, bevor man ihn tötet. Mein Blick sagte ihm, dass ich mir schon überlegte, an welcher Stelle ich den tödlichen
     Hieb ausführen sollte. Er verstand, und damit hatte sich seine Frage erledigt. Sie war ohnehin überflüssig, da er uns ja für
     Dänen hielt, und als solche waren wir hier, um zu rauben und zu töten. Was hätten Wikinger auch anderes vorhaben können?
    Dann flüsterten Peredur und der Mönch eine Weile miteinander. Und ich schaute mich in der Halle um und suchte nach Kostbarkeiten,
     aber außer drei Walknochen, die in einer Ecke lagen, war nichts zu entdecken. Doch Peredur musste Schätze gehortet haben,
     denn er trug ein schweres bronzenes Amulett um den Hals, und an seinen dicken Fingern steckten Ringe aus Silber. Am Kragen
     seines verlausten Umhangs prangte eine Bernsteinbrosche, und zwischen den Falten sah ich ein goldenes Kruzifix blitzen. Er
     wird seine Schätze vergraben haben, dachte ich und bezweifelte, dass wir bei dieser Sache reich werden würden, aber reich
     waren wir bei unseren Fahrten auch |85| nicht geworden. Tröstlich war nur, dass uns Peredur wenigstens verköstigen würde.
    «Der König», unterbrach der Mönch meine Gedanken, «wünscht zu wissen, wie viele Männer Ihr gegen den Feind führen könnt.»
    «Genug», antwortete ich knapp.
    «In jedem Fall? Es hängt doch wohl davon ab, wie viele Männer der Feind hat», hakte der Mönch nach.
    «Nein. Es kommt nur hierauf an», entgegnete ich und klopfte mit der flachen Hand auf die Scheide meines Schwerts. Ich war
     mit meiner selbstbewussten Antwort sehr zufrieden, und sie schien auch den Mönch zu überzeugen, denn im Vergleich zu all den
     anderen Männern, die hier versammelt waren, musste ich ihm mit meiner breiten Brust und meinem hohen Wuchs wie ein Riese vorgekommen
     sein. «Und wer seid Ihr, Mönch?», verlangte ich zu wissen.
    «Mein Name ist Asser», antwortete er. Ein britischer Name natürlich, der in der englischen Sprache «he-ass» bedeutete, also
     Eselhengst, weshalb ich ihn fortan im Stillen nur noch mit Esel bezeichnete. Und dieses fortan sollte lange dauern, denn ich
     hatte soeben einen Mann getroffen, der mir, was ich damals nicht wissen konnte, zeit meines Lebens so lästig fallen

Weitere Kostenlose Bücher