Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
blicken und meine geheimsten Gedanken lesen konnte. Immerhin verzog sie, als sie mich so ansah, nicht wieder so
     schrecklich das Gesicht wie bei den Worten ihres Gemahls. «Mein Name ist Uhtred Ragnarson», sagte ich, «und ich bin gekommen,
     um für Euren König zu kämpfen, wenn er mich angemessen entlohnt. Wenn nicht, ziehen wir weiter.»
    Ich dachte, Asser würde übersetzen, doch der Mönch blieb still.
    Iseult starrte mich immer noch an, und ich starrte zurück. Sie hatte eine makellose, von keinerlei Krankheit verunstaltete
     Haut und ein klares, aber trauriges Gesicht. Traurig und schön. Wild und schön. Sie erinnerte mich an Brida, das Mädchen aus
     Ostanglien, die meine Liebste gewesen war und jetzt mit Ragnar, meinem Freund, zusammenlebte. Brida war so ausgefüllt mit
     Wut, wie ein Schwert die Scheide ausfüllt, und das Gleiche spürte ich in dieser Königin, die so jung war und seltsam und dunkel
     und lieblich.
    «Ich bin Uhtred Ragnarson», hörte ich mich ein zweites Mal sagen, obwohl ich gar keinen Drang zu reden verspürte hatte, «und
     ich kann Wunder bewirken.»
    Warum ich das behauptete, weiß ich selber nicht. Später |89| erfuhr ich, dass sie keines meiner Worte verstanden hatte, denn damals konnte sie nur die Sprache der Britonen. Dennoch schien
     es, als verstünde sie mich irgendwie, denn sie lächelte mich an. Asser schnappte nach Luft. «Seht Euch vor, Däne», zischte
     er. «Sie ist eine Königin.»
    «Eine Königin?», fragte ich, ohne meine Augen von ihr abzuwenden, «oder
die
Königin?»
    «Der König ist mit drei Frauen gesegnet», erklärte der Mönch missbilligend.
    Iseult wandte sich ab und sprach mit dem König. Der nickte und zeigte dann mit ehrerbietiger Geste auf die Tür, durch die
     Iseult eingetreten war. Gehorsam folgte sie der Aufforderung, den Raum zu verlassen, blieb aber in der Tür noch einmal stehen
     und warf mir einen letzten, fragenden Blick zu. Dann war sie fort.
    Und plötzlich war alles ganz einfach. Peredur erklärte sich bereit, uns mit einem großen Silberschatz zu bezahlen, und führte
     uns in ein Nebengelass, wo er ihn versteckt hatte. Da waren Münzen, zerbrochenes Geschmeide, verbeulte Kelche und drei Kandelaber,
     die offenbar aus einer Kirche stammten. Und als ich das Silber mit einer Bügelwaage vom Markt wog, kam ich auf einen Wert
     von dreihundertsechzehn Schillingen. Das war nicht gerade wenig. Asser teilte den Schatz in zwei Teile, wovon der eine halb
     so groß war wie der andere. «Den kleineren Teil erhaltet Ihr heute», sagte der Mönch. «Den Rest bekommt Ihr, wenn Dreyndynas
     zurückerobert ist.»
    «Hält Er mich für einen Narren?» Mir war klar, dass es nach dem Kampf schwierig sein würde, an das restliche Silber zu kommen.
    «Hält Er mich für einen?», entgegnete Asser, denn ihm war ebenfalls klar, dass wir, wenn er uns das ganze Silber gäbe, sofort
     verschwunden wären.
    |90| Schließlich einigten wir uns darauf, dass das eine Drittel schon jetzt an Bord der
Fyrdraca
geschafft und die anderen zwei Drittel auf den Kampfplatz gebracht werden sollten, sodass wir sie leicht an uns nehmen konnten.
     Peredur hatte gehofft, ich würde den größeren Teil im Palas liegen lassen, denn dann hätten wir uns bergan, auf den steilen
     glitschigen Straßen voller Dung, hochkämpfen müssen, und dabei hätten wir verloren. Wahrscheinlich hatte die Aussicht auf
     solch einen aussichtslosen Kampf auch Callyn davon abgehalten, Peredurs Palas anzugreifen. Er hoffte wohl, ihn und sein Gefolge
     aushungern zu können, das glaubte jedenfalls Asser.
    «Erzählt mir von Iseult», forderte ich den Mönch auf, als der Handel beschlossen war.
    Er sah mich verächtlich an. «Ich kann in Euch lesen wie in einem Messbuch», sagte er.
    «Was immer ein Messbuch auch sein mag», spielte ich den Dummen.
    «Ein Gebetbuch», sagte er. «Und Ihr werdet Gebete nötig haben, falls Ihr es wagen solltet, sie auch nur einmal anzurühren.»
     Er bekreuzigte sich. «Sie ist böse», stieß er heftig hervor.
    «Sie ist eine Königin, bloß eine junge Königin», sagte ich, «wie könnte sie böse sein?»
    «Was wisst Ihr von den Britonen?»
    «Dass sie wie die Iltisse stinken», antwortete ich, «und diebisch sind wie Elstern.»
    Er zog ein saures Gesicht, und ich glaubte schon, er würde nicht weitersprechen. Doch dann schluckte er seinen britischen
     Stolz hinunter und sagte: «Wir sind Christen und danken Gott für diese große Gnade. Dennoch lebt in unserem Volk

Weitere Kostenlose Bücher