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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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trockenfallen und gingen an Land, um aus einem
     Bach frisches Wasser zu holen. Leofric und ich stiegen auf einen Hügel und sahen uns um. Aus einem Tal in der Ferne stieg
     Rauch auf, aber Menschen sahen wir nicht, nicht einmal einen einzelnen Hirten. «Was hast du erwartet?», fragte Leofric. «Feinde?»
    «Ein Kloster», antwortete ich.
    «Ein Kloster!» Er grinste. «Willst du beten, oder was?»
    «In Klöstern ist immer Silber zu finden», sagte ich.
    «Nicht in dieser Gegend. Hier sind die Menschen bettelarm. Und außerdem   …»
    «Außerdem?»
    Er nickte mit dem Kopf in Richtung Mannschaft. «Wir haben ein Dutzend guter Christen an Bord. Natürlich auch einige schlechte,
     aber eben auch ein Dutzend gute. Und die würden sich weigern, ein Kloster zu überfallen.» Er hatte recht. Einige der Männer
     hatten Skrupel gehabt, |76| Schiffe auszuplündern, aber ich hatte ihnen versichert, dass die Dänen Handelsschiffe nutzten, um ihre Feinde auszukundschaften.
     Das entsprach zwar durchaus der Wahrheit, doch ich bezweifelte, dass unsere Opfer tatsächlich den Dänen gedient hatten, aber
     auf beiden Schiffen waren Ausländer gefahren, und wie alle Westsachsen so hegten auch unsere Männer eine tiefe Abneigung gegenüber
     allen Fremden, wovon sie nur Haesten und die Friesen ausnahmen, die unserer Mannschaft angehörten. Die Friesen waren von Natur
     aus Piraten und ebenso wild wie die Dänen. Wir hatten zwölf von ihnen an Bord. Sie waren nach Wessex gekommen, um sich am
     Krieg zu bereichern, und waren deshalb nur froh, dass die
Fyrdraca
aufs Plündern aus war.
    Wir blieben weiter auf westlichem Kurs und entdeckten erste Siedlungen, die erstaunlich groß waren. Cenwulf, ein guter Mann,
     der mit uns bei Cynuit gekämpft hatte, erklärte uns, dass die Britonen von Cornwalum Zinn ausgruben und es an Fremde verkauften.
     Das wusste er von seinem Vater, der als Händler häufig diese Küstenregion befahren hatte. «Wenn sie Zinn verkaufen», sagte
     ich, «dann werden sie auch Geld haben.»
    «Und Männer, die es bewachen», entgegnete Cenwulf trocken.
    «Haben sie einen König?»
    Keiner wusste es. Wahrscheinlich gab es einen König, doch wo er lebte und wer er war, konnte niemand sagen. Haesten meinte,
     dass sie womöglich mehr als einen König hatten. Fest stand jedenfalls, dass sie bewaffnet waren, denn als wir uns eines Nachts
     in eine stille Bucht zurückzogen, kam von den Klippen ein Pfeil auf uns herabgeschwirrt, der dicht neben den Rudern vom Wasser
     verschluckt wurde. Wenn ich nicht zufällig hingeschaut hätte, |77| wäre er womöglich unbemerkt geblieben, doch ich sah den Pfeil, der, graugefiedert, aus dem Himmel niederfuhr und mit einem
     Plumps verschwand. Ein einziger Pfeil, der offenbar eine Warnung sein sollte, denn weitere folgten nicht. In sicherer Entfernung
     vom Ufer lagen wir in dieser Nacht vor Anker. Als es am Morgen dämmerte, sahen wir an einem Bach zwei Kühe grasen, worauf
     Leofric sogleich seine Axt ergriff. «Die Kühe sind da, um uns zu töten», warnte uns Haesten in seinem neuerworbenen, aber
     nicht sehr guten Englisch.
    «Seit wann töten Kühe Menschen?», fragte ich grinsend.
    «Ich habe es schon gesehen, Herr. Sie locken den Gegner mit Kühen an Land und greifen dann an.»
    Wir verschonten die Kühe, lichteten den Anker und steuerten in Richtung offene See. Plötzlich erhob sich hinter uns ein Geheul;
     ich drehte mich um und sah hinter Büschen und Bäumen viele bewaffnete Männer auftauchen. Da streifte ich einen meiner Silberreifen
     vom linken Arm und gab ihn Haesten zum Dank dafür, dass er uns davor bewahrt hatte, in die Falle zu gehen. Er, als Däne, war
     äußerst stolz auf seinen ersten Armreif. Er polierte ihn den ganzen Vormittag.
    Die Küste wurde immer wilder, und es wurde schwieriger, einen sicheren Ankerplatz zu finden. Zum Glück blieb das Wetter ruhig.
     Wir kaperten ein kleines Schiff mit acht Rudern, das nach Irland zurückkehrte, und erleichterten es um sechzehn Silberstücke,
     drei Messer, etliche Barren Zinn, einen Sack Gänsefedern und sechs Ziegenhäute. Reich konnten wir auf diese Weise nicht werden;
     die ganze Beute nahm nur Platz im Schiff weg. «Wir müssen das Zeug verkaufen», sagte Leofric.
    Aber an wen? Wir kannten niemanden, der in dieser |78| Gegend Handel trieb. Das Beste, so überlegte ich, wäre, in der Nähe einer großen Siedlung an Land zu gehen und sie auszurauben:
     die Häuser niederzubrennen, die Männer zu töten, die

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