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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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würde
     wie eine hartnäckige Laus. Ich war einem weiteren Feind begegnet, obwohl er für mich an jenem Tag in Peredurs Palas nichts
     weiter war als ein auffällig sauber gewaschener britischer Mönch. Er bat mich, ihm durch eine kleine Tür nach draußen zu folgen.
     Ich gab Haesten und Cenwulf mit einem Wink zu verstehen, dass sie zurückbleiben sollten, bückte mich unter dem niedrigen Türsturz
     und fand mich neben einem Misthaufen wieder. Aber was mir der Mönch eigentlich zeigen wollte, war der Blick nach Osten.
    |86| Ich schaute über ein Tal. In der Nähe sah man die rauchgeschwärzten Dächer der Ansiedlung, dann kam der Dornwall, der am Fluss
     entlang errichtet worden war, bis er ins Meer floss. Hinter dem Fluss erhoben sich niedrige Hügel, und dort hob sich, einer
     Eiterbeule gleich, die Festung Dreyndynas gegen den Himmel ab. «Der Feind», sagte Asser.
    Es war eine kleine Festung. «Wie viele Männer stehen dort?»
    «Ist das wichtig für Euch?», erwiderte Asser schnippisch, um mir heimzuzahlen, dass ich ihm eine Antwort auf seine Frage nach
     der Anzahl meiner Männer verweigert hatte. Andererseits vermutete ich ohnehin, dass Pater Mardoc die Mannschaft durchgezählt
     hatte, während er an Bord der
Fyrdraca
war, sodass meine herausfordernde Haltung zu nichts führte.
    «Ihr Christen glaubt doch, dass Ihr nach dem Tod in den Himmel aufsteigt, nicht wahr?»
    «Warum fragt Ihr?»
    «Darauf freut Ihr Euch doch wohl», sagte ich. «Darauf, näher bei Eurem Gott zu sein.»
    «Wollt Ihr mir drohen?»
    «Schleimigen Würmern drohe ich grundsätzlich nicht», antwortete ich und gefiel mir dabei. «Wie viele Männer befinden sich
     in dieser Festung?»
    «Vierzig? Fünfzig?» Er schien es nicht zu wissen. «Wir selbst können vierzig aufbringen.»
    «Morgen», sagte ich, «hat Euer König seine Festung zurück.»
    «Er ist nicht mein König», erwiderte Asser, dem meine Unterstellung übel aufstieß.
    «Euer König oder nicht, morgen hat er seine Festung wieder, vorausgesetzt, er bezahlt uns ordentlich.»
    |87| Die Verhandlung dauerte bis zum Einbruch der Dunkelheit. Peredur war, genau wie Pater Mardoc vermutet hatte, tatsächlich bereit,
     über hundert Schillinge zu zahlen. Weil er aber fürchtete, dass wir das Geld nehmen und uns, ohne für ihn zu kämpfen, damit
     aus dem Staub machen könnten, verlangte er nach einer Sicherheit. Er wollte Geiseln, die ich ihm jedoch verweigerte, und nach
     langem Hin und Her ließ er schließlich seine Königin rufen. Ich dachte mir nichts dabei, sah aber, dass der Esel plötzlich
     erstarrte, und spürte, wie sich auch unter den anderen Männern im Versammlungsraum eine seltsame Besorgnis breitmachte. Asser
     hob zu einem Widerspruch an, doch der König brachte ihn mit einer schnellen Geste zum Schweigen. Gleich darauf öffnete sich
     an der Rückwand der Halle eine Tür. Durch sie trat Iseult in mein Leben.
    Iseult. Ihr dort zu begegnen war, als hätte ich ein Goldstück in einem Misthaufen gefunden. Ein Blick genügte, und ich hatte
     Mildrith vergessen. Dunkle Iseult, schwarzhaarige Iseult, großäugige Iseult. Sie war klein, schlank wie eine Elfe, hatte ein
     strahlendes Antlitz, und ihr Haar war schwarz wie Rabengefieder. Obwohl noch jung – sie war vielleicht zwei oder drei Jahre
     jünger als ich   –, gelang es ihr, irgendwie Peredurs Höflingen Angst einzujagen, und sie wichen vor ihr zurück. Der König sah ihr nervös entgegen,
     während sich Asser, der neben mir stand, bekreuzigte und ausspuckte, um drohendes Unheil abzuwenden.
    Ich starrte sie an, war wie gebannt. Auf ihrem Gesicht lag Schmerz; es schien, als wäre ihr das Leben unerträglich. Und aus
     der Stimme ihres Gemahls klang Angst, als er leise und respektvoll das Wort an sie richtete. Ihm zuzuhören ließ sie erschauern,
     und ich dachte, dass sie womöglich verrückt sei, denn sie verzog ihr wunderschönes Gesicht zu einer scheußlichen Grimasse,
     fasste sich dann |88| aber wieder und sah mich an, während der König zu Asser sprach.
    «Ihr sollt der Königin sagen, wer Ihr seid und was Ihr für König Peredur zu tun gedenkt», forderte mich der Esel mit näselnder
     Stimme auf.
    «Spricht sie Dänisch?», fragte ich.
    «Natürlich nicht», blaffte er. «Antwortet einfach und sorgt dafür, dass es mit diesem Schauspiel möglichst bald ein Ende hat.»
    Ich schaute ihr in die Augen, in diese großen, dunklen Augen, und es überkam mich das unheimliche Gefühl, dass sie in mein
     Innerstes

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