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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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so segelten sie bis ans dunkle Ende der Welt, wo alle verlorenen
     Schiffe sterben.
    Im Norden aber hatte die Welt kein Ende. Das wusste ich, wenn ich auch nicht sagen konnte, was uns tatsächlich dort erwarten
     würde. Irgendwo lagen Dyfed, Irland und andere Inseln mit barbarisch klingenden Namen, und an |124| ihren rauen Küsten lebten wilde Menschen wie ausgehungerte Hunde. So rau wie das Land war auch das Meer mit seinen unermesslichen
     Fluten. Als das Segel gesetzt war und der Wind die
Fyrdraca
nordwärts trieb, stemmte ich mich gegen das Ruder, um einen östlicheren Kurs einzuschlagen, damit wir uns nicht in den Weiten
     des Ozeans verirrten.
    «Weißt du, wohin es geht?», fragte mich Leofric.
    «Nein.»
    «Kümmert es dich überhaupt?»
    Statt zu antworten, grinste ich nur. Der Wind drehte von Süd auf Südwest, und die Strömung drückte ostwärts. Also dachte ich,
     als am frühen Nachmittag Land in Sicht kam, es müsse das Land der Britonen am Nordufer der Sæfern-See sein. Doch als wir näher
     kamen, sah ich, dass es eine Insel war. Später erfuhr ich, dass sie von den Nordmännern Lundi genannt wurde, was ihr Name
     für Papageientaucher ist. Und tatsächlich war die Steilküste von großen Schwärmen dieser Vögel bevölkert, deren schrilles
     Gekreische uns in den Ohren klang, als wir in eine Bucht am Westrand der Insel einliefen. Zum Ankern war die Bucht jedoch
     nicht geeignet, denn schwere Seen rollten hinein, sodass wir das Segel absenkten, die Ruder herausholten und um die Klippe
     ruderten, bis wir eine geschützte Stelle auf der Ostseite erreichten.
    Ich ging mit Iseult an Land, um in den Nestern der Papageientaucher nach Eiern zu suchen. Doch die ganze Brut war offenbar
     schon geschlüpft, und so begnügten wir uns damit, zwei Ziegen für das Abendessen zu schlachten. Menschen sahen wir nicht,
     wohl aber die Überreste einer kleinen Kirche und einen Friedhof. Die Dänen hatten alles niedergebrannt, die Kirche zerstört
     und die Gräber auf der Suche nach Gold ausgehoben. Wir stiegen auf einen |125| Hügel und schauten in die Runde, konnten aber kein Schiff entdecken. Im Süden waren Wolken aufgezogen, doch glaubte ich dahinter
     einen Streifen Land zu erkennen, den ich für die Küste Cornvalums oder den äußersten Westen von Wessex hielt.
    Iseult sang vor sich hin. Ich betrachtete sie. Sie weidete die toten Ziegen aus, war aber an solche Arbeit nicht gewöhnt und
     stellte sich sehr ungeschickt an. Sie war dünn, dünn wie eine Elfe, aber offenbar war sie glücklich. Mit der Zeit sollte ich
     erfahren, wie sehr sie Peredur gehasst hatte. Er hatte sie geschätzt und sie zu seiner Königin gemacht, gleichzeitig aber
     wie eine Gefangene gehalten, um der einzige Nutznießer ihrer magischen Kräfte zu sein. Die Leute bezahlten Peredur für ihre
     Prophezeiungen, und einer der Gründe, aus denen Callyn gegen seinen Nachbarn zu Felde gezogen war, hatte darin bestanden,
     dass er Iseult selbst haben wollte. Schattenköniginnen wurden von den Britonen hochgeschätzt, denn sie verkörperten die alten
     Mysterien, welche die Geschicke des Landes bestimmt hatten, ehe die Mönche gekommen waren. Iseult war eines der letzten dieser
     magischen Wesen, geboren, während sich die Sonne verfinsterte. Jetzt aber war sie frei, und ich sollte noch erfahren, dass
     ihre Seele so wild war wie die eines Falken. Mildrith, die arme Mildrith, für sie galten nur Ordnung und Gleichmaß. Immer
     sollte der Fußboden gefegt werden, die Wäsche gewaschen, die Kühe gemolken, die Sonne aufgehen und untergehen, und niemals
     sollte sich etwas ändern. Aber Iseult war anders: dunkel und rätselhaft. Nichts von dem, was sie während der ersten Tage geäußert
     hatte, ergab irgendeinen Sinn, denn wir sprachen nicht dieselbe Sprache. Doch als ich ihr an diesem Abend auf der Insel das
     Messer aus der Hand nahm, um die Ziegen auszunehmen, sammelte sie ein paar |126| Zweige und flocht daraus einen kleinen Käfig. Sie zeigte mir den Käfig, zerschlug ihn und ahmte dann mit ihren langen weißen
     Fingern den freien Flug eines Vogels nach. Dann zeigte sie auf sich, warf die zerbrochenen Zweige weg und lachte.
    Am nächsten Morgen sah ich Schiffe. Es waren zwei, und sie segelten im Westen der Insel nach Norden, kleinere Boote, vielleicht
     mit Händlern aus Cornwalum an Bord. Vom Südwestwind getrieben, steuerten sie der verborgenen Küste entgegen, wo ich Svein
     und sein
Weißes Pferd
vermutete.
    Wir folgten den beiden

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