Der weiße Reiter
Schild. Ich rüstete mich zum Kampf, während
die Ruder eingeholt wurden, und zog dann meinen Helm auf, sodass plötzlich die Ränder meines Sichtfeldes von seiner Gesichtsplatte
verdunkelt wurden.
«Los!», rief ich. Die Ruder tauchten ein, und die
Fyrdraca
|129| schoss aus der Bucht. Manche Ruder krachten gegen die Felsen, doch keines brach. Ich starrte auf das Schiff, das einen zähnefletschenden
Wolfskopf auf dem Steven trug, und war so nah, dass ich die ungläubigen Blicke der Männer und Frauen an Bord erkennen konnte.
Sie meinten, ein dänisches Schiff vor sich zu haben, eines aus den eigenen Reihen, doch wir waren bewaffnet, und wir griffen
sie an. Nach einem Warnruf liefen sie eilig zu ihren Waffen. Leofric trieb unsere Männer an, sich mit aller Kraft in die Riemen
zu legen, und die langen Ruderschäfte bogen sich, als die
Fyrdraca
über die niedrigen Wellen schnellte, bis ich alle Mann von den Rudern nach vorn in den Bug rief, wo Cenwulf und die zwölf
Männer unter seinem Kommando schon in Bereitschaft standen. Und dann fuhren wir mit voller Fahrt in die feindlichen Ruder
und zerschmetterten sie.
Haesten hatte gute Arbeit geleistet und, nach meinem Auftrag, auf das niedrige Freideck im vorderen Teil des Schiffes zugehalten.
Unser Bug bäumte sich über ihrem Plankengang auf und drückte ihr Schiff tief ins Wasser. So wuchtig war der Aufprall, dass
wir fast von den Füßen gerissen worden wären, aber dann sprang ich hinunter auf das wolfsköpfige Schiff. Cenwulf und seine
Männer folgten mir, und dann begannen wir mit dem Töten.
Zahlenmäßig war uns der Gegner wohl überlegen, nicht aber an Kampfkraft, denn die Männer waren nach einem langen Tag in den
Rudern bis in die Knochen erschöpft und hatten nicht mit einem Angriff gerechnet. Wir dagegen waren heute hungrig, wir hatten
schon oft Schiffe überfallen, und meine Mannschaft war gut ausgebildet. Ihre Schwerter und Äxte schwingend, hackten sich die
Männer ihren Weg über das Schiff frei, und das Meer schwappte über die Bordkante, sodass wir durch das Wasser |130| waten mussten, als wir über die Ruderbänke stiegen. Das Wasser färbte sich rot. Manche unserer Opfer sprangen über Bord, um
uns zu entkommen, und klammerten sich an die zertrümmerten Ruder. Ein Mann mit dichtem Bart und wilden Augen warf sich uns
mit einem großen Schwert entgegen, doch Eadric bohrte ihm seinen Speer in die Brust, und Leofric hieb mit der Axt auf seinen
Kopf ein. Wieder schlug er zu, und das Blut spritzte hinauf bis an das Segel, das an der langen Rah zusammengerollt war. Der
Mann sank in die Knie, und Eadric bohrte den Speer noch tiefer in seinen Körper, sodass das Blut in Stößen ins Wasser lief.
Fast hätte mich eine Welle von den Beinen geworfen, die das halbgesunkene Schiff ankippte. Ein Mann schleuderte mir schreiend
seinen Speer entgegen, doch ich wehrte ihn mit dem Schild ab und rammte dem Mann Schlangenhauch ins Gesicht. Fallend wollte
er meinem nächsten Stoß ausweichen, doch da stieß ich ihn mit dem schweren Schildbuckel von Deck. Als ich eine Bewegung zu
meiner Rechten spürte, schwang ich meinen Schlangenhauch wie eine Sichel herum und traf eine Frau am Kopf. Ein Schwert in
der Hand, sackte sie in sich zusammen wie ein abgestochenes Kalb. Ich trat das Schwert beiseite und rammte ihr meinen Fuß
in den Bauch. Vor mir stand ein schreiendes Kind; ich stieß es zur Seite, warf mich einem Mann mit ledernem Wams entgegen,
den Schild gehoben, um seinen Axthieb abzuwehren, und spießte ihn mit Schlangenhauch auf. So tief drang mein Schwert in seine
Brust ein, dass es in den Knochen steckenblieb und ich mich über ihn stellen musste, um es wieder herauszuziehen. Cenwulf
hastete mit erhobenem Schwert an mir vorbei, das wutverzerrte Gesicht voller Blut. Das Wasser reichte mir jetzt bis an die
Knie, und ich schwankte und wäre fast gefallen, als ein Ruck durch das Schiff ging. Ich |131| bemerkte, dass wir ans Ufer getrieben und auf Felsen gelaufen waren. Zwei Pferde waren im Schiff angebunden, und die Tiere
wieherten voller Angst bei dem Geruch des Blutes. Eines riss sich los, sprang über Bord und schwamm mit schreckgeweiteten
Augen, in denen das Weiße zu sehen war, aufs offene Meer hinaus.
«Tötet sie! Tötet sie!», hörte ich mich brüllen. Nur so ließ sich ein Schiff einnehmen: Alle Kämpfer mussten von Bord verschwinden.
Doch jetzt verschwanden sie von selbst, denn die Überlebenden
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