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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sprangen auf die Felsen und kletterten durch die saugende Rückströmung
     der vom Blut gefärbten Wellen davon. Ein halbes Dutzend unserer Männer war auf der
Fyrdraca
geblieben und hielt das Schiff mit ausgefahrenen Rudern von den Felsen weg. Dann traf eine Klinge von hinten meinen rechten
     Knöchel, und als ich mich umdrehte, sah ich einen verwundeten Mann, der versuchte, mich zu lähmen, indem er mir mit einem
     kurzem Messer die Sehne durchschnitt. Ich hieb auf ihn ein, immer und immer wieder, schlachtete ihn ab in dem wogenden Wasser.
     Ich glaube, er war der letzte Mann, der an Bord starb. Ein paar Dänen klammerten sich zwar noch an die Außenflanke des Schiffs,
     doch die schnitten wir einfach ab.
    Die
Fyrdraca
lag ein Stück seewärts von dem Unglücksschiff, und ich rief meinen Männern zu, längsseits anzulegen. Sie schaukelte auf und
     ab, viel höher als das halbgesunkene Schiff. Wir warfen unsere Beute aufwärts über die Bordwand der
Fyrdraca
. Säcke, Kästen und Fässer. Viele waren schwer, und in manchen klirrten Münzen. Den Toten nahmen wir alles ab, was von Wert
     war. Sechs Kettenhemden und ein Dutzend Helme kamen so in unseren Besitz. In dem überfluteten Kielraum fanden wir drei weitere
     Kettenhemden. Ich streifte acht Reifen von den |132| Armen toter Männer. Als auch alle Waffen an Bord der
Fyrdraca
geschafft worden waren, zerschnitten wir alles Tauwerk des feindlichen Schiffes. Dann band ich das zweite Pferd los, das zitternd
     im weiter ansteigenden Wasser stand. Unter den Augen der Überlebenden, die sich auf die Felsen gerettet hatten, nahmen wir
     auch noch die Rah und das Segel. Auf dem Schlafdeck fand ich schließlich noch einen großen Kriegshelm, ein prächtiges Stück
     mit verzierter Gesichtsplatte und einem silbernen Wolfskopf als Kamm. Ich warf meinen eigenen Helm auf die
Fyrdraca
, setzte den neuen auf und reichte Beutel mit Münzen weiter. Unter den Beuteln lag etwas, das mir ein kleiner Schild, eingewickelt
     in schwarzes Tuch zu sein schien. Ich wollte ihn schon liegenlassen, bückte mich aber dann doch und warf ihn ebenfalls an
     Bord der
Fyrdraca
. Wir waren reich.
    «Wer seid Ihr?», rief ein Mann vom Ufer aus.
    «Uhtred», antwortete ich.
    Er spuckte aus, und ich lachte. Unsere Männer kletterten zurück auf die
Fyrdraca
. Manche fischten Ruder aus dem Wasser, während Leofric mit einer langen Stange gegen die Strömung ankämpfte, die unser Schiff
     auf die Felsen zutrieb. «Komm an Bord!», rief er mir zu, und ich sah, dass ich als Letzter noch auf dem Dänenschiff war. Ich
     setzte einen Fuß auf eines der Ruder, hielt mich am Aftersteven der
Fyrdraca
fest und schwang mich über die Bordwand ins Schiff. «Rudern!», brüllte Leofric, und bald hatten wir uns von dem Wrack entfernt.
    Zwei junge Frauen, die wir mit der Beute an Bord genommen hatten, kauerten weinend am Mast. Eine stammte, wie sich später
     herausstellte, aus Irland; die andere jedoch war Dänin, und kaum war ich neben ihr in die Hocke gegangen, schlug sie mir ins
     Gesicht und spuckte mich an. |133| Ich schlug zurück, worauf sie erneut handgreiflich wurde. Sie war jung, groß und kräftig, mit einem Wust blonder Haare und
     hellblauen Augen. Sie versuchte, mit den Fingern durch die Sehschlitze meines neuen Helms zu stoßen, sodass ich mich gezwungen
     sah, sie ein weiteres Mal zu schlagen. Meine Männer lachten. Manche stachelten sie auf, sich gegen mich zu wehren, doch stattdessen
     brach sie plötzlich in Tränen aus und lehnte sich zurück an den Mast. Ich nahm den Helm ab und fragte sie nach ihrem Namen,
     aber als einzige Antwort schluchzte sie, dass sie sterben wolle. Als ich ihr sagte, sie könne sich jederzeit vom Schiff stürzen,
     rührte sie sich trotzdem nicht vom Fleck. Sie hieß Freyja und war fünfzehn Jahre alt. Ihrem Vater gehörte das Schiff, das
     wir versenkt hatten. Es war der große Mann mit dem Schwert gewesen, er hatte Ivar geheißen und Land bei Dyflin besessen, wo
     immer das sein mochte. Und dann fing Freyja wieder an zu weinen, als sie meinen neuen Helm bemerkte, der ihrem Vater gehört
     hatte. «Er starb, ohne sich die Nägel geschnitten zu haben», sagte sie vorwurfsvoll, als wäre ich für dieses Pech verantwortlich.
     Und ein böses Geschick war es in der Tat, denn nun würden die dunklen Mächte der Unterwelt mit Ivars Fingernägeln das Schiff
     bauen, das am Ende der Zeit die Welt verheeren soll.
    «Wohin wolltet ihr?», fragte ich sie.
    Natürlich waren sie auf

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