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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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kleinen Schiffen, die schon fast außer Sicht waren, als wir endlich zur
Fyrdraca
hinausgewatet waren, den Anker gelichtet hatten und losgerudert waren. Doch kaum war das Segel gesetzt, verringerte sich der
     Abstand schnell. Angesichts eines Drachenschiffes, das plötzlich hinter der Insel auftauchte, muss es ihnen angst und bange
     geworden sein. Ich ließ das Segel ein wenig absenken, um die Fahrt zu verlangsamen, und so folgten wir ihnen den ganzen Tag,
     bis sich schließlich am Horizont ein blaugrauer Streifen zeigte. Land. Das Segel wieder voll hochgezogen, rauschten wir an
     den beiden klobigen Booten vorbei, und so erreichte ich zum ersten Mal die Küste von Wales. Bei den Britonen hieß dieses Land
     anders, wir aber nannten es Wales, was so viel wie «Fremde» bedeutet. Erst später stellte sich heraus, dass wir in Dyfed an
     Land gegangen waren, jenem Königreich im äußersten Westen von Wales, das nach dem Gottesmann benannt worden war, der die Britonen
     christianisiert hatte.
    In einem tiefen Küsteneinschnitt, der zu beiden Seiten von Felsen bewacht wurde, fanden wir Schutz vor Wind und Wellen. Die
     Bucht war so eng, dass der Bug und das |127| Heck unseres Schiffes über Steine kratzten, als wir es drehten, damit wir der See zugewandt lagen. Anschließend legten wir
     uns unter den Ruderbänken schlafen. Wir hatten ein Dutzend Frauen an Bord, alles Gefangene aus Peredurs Siedlung. Einer von
     ihnen gelang in dieser Nacht die Flucht. Sie hatte sich unbemerkt von Bord gleiten lassen und war ans Ufer geschwommen. Iseult
     war es nicht. Sie lag neben mir unter der Steuerplattform in einer kleinen dunklen Nische, die wir mit einem Umhang abgedeckt
     hatten. Leofric weckte uns früh am Morgen, besorgt darüber, dass die geflohene Frau die Küstenbewohner gegen uns aufhetzen
     könnte. Ich zuckte mit den Achseln. «Wir sind hier bald wieder weg.»
    Doch wir blieben den ganzen Tag in der Bucht. Ich hoffte darauf, ein vorüberziehendes Schiff überfallen zu können, und tatsächlich
     kreuzten zwei auf, allerdings segelten sie gemeinsam, und zwei Schiffe auf einmal anzugreifen war zu gefährlich. Sie segelten
     vor dem Südwestwind, und beides waren dänische Schiffe, vielleicht auch welche von den Nordmännern, und beide waren voller
     Krieger. Wahrscheinlich kamen sie von Irland oder von der Ostküste Northumbriens, um sich Svein anzuschließen, gelockt von
     der Aussicht, gutes westsächsisches Land besetzen zu können. «Burgweard sollte die ganze Flotte hier zusammenziehen», sagte
     ich. «Dann könnte er diesen Bastarden die Hölle heißmachen.»
    Am Nachmittag zeigten sich zwei Reiter. Der eine trug eine glänzende Halskette, die ihn als einen Mann von hohem Rang auswies,
     doch keiner von ihnen kam herunter auf den Kiesstrand. Sie beobachteten uns vom Eingang einer Senke aus, die zur Bucht hinabführte,
     und nach einer Weile verschwanden sie wieder. Die Sonne stand schon tief, aber es war Sommer und lange hell. «Wenn sie Verstärkung |128| holen   …», Leofric führte den Gedanken nicht aus.
    Ich betrachtete die hohen Felskuppen zu beiden Seiten der Bucht. Von dort könnte man Steine auf uns herabregnen lassen und
     die
Fyrdraca
versenken. «Wir könnten da oben Wachen aufstellen», schlug ich vor, doch in diesem Augenblick rief Eadric, der die Männer
     auf den vorderen Steuerbordbänken führte, ein Schiff sei in Sicht. Ich rannte nach vorn, und da war sie.
    Die vortrefflichste Beute.
    Das Schiff war nicht ganz so groß wie die
Fyrdraca
, aber doch stattlich, und es war so schwer beladen, dass es tief im Wasser lag. Es waren sogar so viele Menschen an Bord,
     dass die Besatzung es nicht gewagt hatte, das Segel zu setzen. Zwar war der Wind nicht stark, doch mit dieser Last konnte
     er das Schiff gefährlich tief zur Seite drücken. Also wurde gerudert, dicht an der Küste entlang. Offenbar suchten sie nach
     einem Ankerplatz für die Nacht, und die Mannschaft wähnte sich mit unserer kleinen Bucht am Ziel, bis sie erkennen musste,
     dass wir schon hier lagen. Ich sah, wie ein Mann in ihrem Bug weiter die Küste hinaufzeigte, und während sich meine Männer
     bewaffneten, forderte ich Haesten auf, das Steuerruder zu übernehmen. Er wusste, was zu tun war, und ich zweifelte keinen
     Augenblick daran, dass er es gut machen und keine Rücksicht auf seine eigenen Landsleute nehmen würde. Während wir die Leinen
     kappten, die unser Schiff sicherten, brachte mir Leofric mein Kettenhemd, Helm und

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