Der weiße Reiter
ich ihr, «er wird mir gar nichts geben.»
«Er wird dir Macht geben», beharrte sie einfach. Ich starrte sie an, und sie betrachtete den fernen Horizont, wo sich Meer
und Wolken trafen. Ihr langes schwarzes Haar flog im Wind. «Mein Bruder hat es mir gesagt», erklärte sie. «Alfred wird dir
Macht geben, und du wirst deinen Besitz im Norden zurückholen, und deine Frau wird ein Wesen aus Gold sein.»
«Meine Frau?»
Sie sah mich an, und in ihrem Blick lag Traurigkeit. «So», sagte sie, «jetzt weißt du es.» Und dann trieb sie |147| mit Tränen in den Augen ihr Pferd an und sprengte über die Hügelkuppe, und ihr Haar wehte im Wind. Ich wollte mehr wissen,
doch sie erklärte, sie habe mir alles gesagt, was sie geträumt habe, und damit müsse ich mich zufriedengeben.
Zum Ende des Sommers trieben wir die Schweine in den Wald, um sie mit den herabgefallenen Bucheckern und Eicheln zu mästen.
Ich besorgte Säcke voller Salz für die anstehende Schlachtung, denn das Fleisch der Schweine und Rinder musste mit dem Salz
gepökelt und in Fässern aufbewahrt werden, damit wir im Winter genug zu essen hatten. Zur Versorgung mit Nahrungsmitteln würden
auch unsere Pächter beitragen. Ich stattete ihnen einen Besuch ab und ließ sie wissen, dass ich Weizen, Roggen und Vieh von
ihnen erwartete. Um ihnen klarzumachen, was sie erwartete, wenn sie mich zu betrügen versuchten, kaufte ich bei einem Schmied
in Exanceaster zwölf gute Schwerter, die ich unter meinen Männern verteilte, und während die Tage kürzer wurden, übten wir
uns im Kampf. Im Unterschied zu Mildrith glaubte ich nicht daran, dass Gott die Herzen der Dänen gewandelt hatte.
Der Spätherbst brachte außer viel Regen auch den Landvogt nach Oxton. Harald, so sein Name, war beauftragt, über den Frieden
von Defnascir zu wachen. Er kam zu Pferde, begleitet von sechs weiteren Reitern, die mit Kettenhemden und Helmen gerüstet
und mit Schwertern oder Speeren bewaffnet waren. Ich empfing ihn im Palas, sodass er vom Pferd absitzen und in die raucherfüllte,
dunkle Halle treten musste. Anscheinend rechnete er mit einem Überfall, denn er kam sehr vorsichtig herein. Als sich seine
Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er mich neben der Feuerstelle in der Mitte der Halle stehen. «Ihr seid vor das
Landgericht geladen», sagte er.
|148| Seine Männer waren Harald gefolgt. «Ihr kommt mit Schwertern in mein Haus?», fragte ich.
Harald sah sich um und bemerkte, dass meine Männer Speere und Äxte trugen. Ich hatte den Vogt kommen sehen und ihnen befohlen,
sich zu bewaffnen.
Harald galt als vernünftiger und gerechter Mann, und er wusste, dass bei zu vielen Waffen in einem Haus ein Gemetzel drohte.
«Wartet draußen», befahl er seinen Männern, worauf ich meinen Leuten mit einer Geste zu verstehen gab, dass sie ihre Waffen
ablegen sollten. «Ihr seid vor das …», hob Harald wieder an.
«Ich habe Euch gehört», sagte ich.
«Ihr habt eine Schuld zu begleichen und den Tod eines Mannes zu sühnen.»
Ich erwiderte nichts. Einer meiner Hunde knurrte leise, und ich legte ihm eine Hand auf den Kopf, um ihn zu beruhigen.
«Das Gericht tritt an Allerheiligen zusammen», sagte Harald. «In der Kathedrale.»
«Ich werde da sein», erklärte ich.
Er nahm den Helm ab und entblößte einen nahezu kahlen Kopf mit einem Kranz aus braunen Haaren. Er war mindestens zehn Jahre
älter als ich, ein großer Mann. An seiner Schildhand fehlten zwei Finger. Als er auf mich zukam, bemerkte ich, dass er leicht
hinkte. Ich beruhigte die Hunde und wartete.
«Ich war bei Cynuit», sagte er leise.
«Genau wie ich», entgegnete ich, «obwohl anderes behauptet wird.»
«Ich weiß um Eure Verdienste.»
«Genau wie ich.»
Er störte sich nicht an meinem mürrischen Gehabe und schien mir wohlgesinnt, doch ich war zu stolz, um |149| erkennen zu lassen, wie wohl mir das tat. «Der Aldermann hat veranlasst, Euer Haus zu besetzen, sobald das Urteil gesprochen
ist», warnte er mich.
Im Hintergrund schnappte jemand hörbar nach Luft, und erst jetzt bemerkte ich, dass Mildrith den Raum betreten hatte. Harald
verbeugte sich vor ihr.
«Das Haus soll uns genommen werden?», fragte sie.
«Wenn die Schuld nicht bezahlt wird», sagte Harald, «geht Euer Besitz an die Kirche.» Er starrte zu dem neu errichteten Dach
hinauf und schien sich zu fragen, warum ich einen Palas auf ein Stück Land gebaut hatte, das schließlich der Kirche zufallen
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