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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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zurückgeben?»
    «Zurückgeben?», fragte ich unschuldig.
    «Dieser Hostienteller ist offensichtlich gestohlen worden», sagte Alewold, «und Ihr tut gut daran, Uhtred, ihn zurückzubringen.»
    «Ich habe ihn eigens für Euch anfertigen lassen», erklärte ich.
    Er hob den Teller hoch und drehte ihn herum, was ihn einige Mühe kostete, denn er war schwer. Dann zeigte er auf ein paar
     Kratzer auf der Rückseite. «Er ist alt», sagte er hochnäsig.
    |155| «Ich habe ihn in Irland machen lassen», entgegnete ich. «Anscheinend sind die Männer, die ihn übers Meer gebracht haben, nicht
     sorgfältig mit ihm umgegangen.»
    Er wusste, dass ich log, doch das kümmerte mich nicht. «Es gibt auch in Wessex Silberschmiede, die in Eurem Auftrag eine Patene
     hätten anfertigen können», schnauzte einer der Priester.
    «Ich hatte gehofft, Euch eine Freude machen zu können», sagte ich, und dann beugte ich mich vor und nahm dem Bischof den Teller
     aus den Händen. «Wenn Ihr aber eine Arbeit aus Westsachsen bevorzugt, könnte ich   …»
    «Gebt ihn mir zurück!», sagte Alewold, und als ich seinem Wunsch nicht eilfertig entsprach, schlug er einen geradezu flehentlichen
     Ton an. «Er ist wunderbar.» Er sah ihn wohl schon in seiner Kirche oder vielleicht sogar im eigenen Haus ausgestellt, und
     er wollte ihn. Es herrschte Schweigen, während er ihn erneut betrachtete. Hätte er im Vorhinein von dem Teller gewusst, hätte
     ich Mildrith davon erzählt, wäre er um eine passende Antwort nicht verlegen gewesen. So aber überwältigte ihn der glühende
     Wunsch, den kostbaren Silberteller zu besitzen. Eine Magd kam mit einem Trinkgefäß in den Raum, doch er scheuchte sie gleich
     wieder hinaus. Sie hatte, wie mir auffiel, rote Haare. «Ihr habt diese Patene also anfertigen lassen», wiederholte der Bischof
     zweiflerisch.
    «In Dyflin», sagte ich.
    «Seid Ihr mit des Königs Schiff dorthin gefahren?», erkundigte sich der Priester, der mich angeschnauzt hatte.
    «Wir haben eine Erkundungsfahrt an der Küste gemacht», antwortete ich, «mehr nicht.»
    «Der Wert dieses Tellers   …» Alewold führte den Satz nicht zu Ende.
    «Er übersteigt die von Mildrith geerbte Schuldlast bei |156| weitem», ergänzte ich. Ob dies tatsächlich der Fall war, wusste ich nicht, doch ungefähr kam es vermutlich hin, außerdem konnte
     ich Alewold ansehen, dass ihn diese Frage nicht kümmerte. Ich würde also bekommen, was ich wollte.
    Die Schuld war getilgt. Ich bestand auf einer schriftlichen Erklärung in dreifacher Ausfertigung und überraschte Alewold und
     seine Priester damit, dass ich lesen und somit entdecken konnte, dass im ersten Pergament keine Rede davon war, dass die Kirche
     auf ihre Ansprüche an meinen zukünftigen Ernteerträge verzichtete. Doch das wurde verbessert, und ich ließ dem Bischof eine
     Abschrift und nahm die beiden anderen an mich. «Wegen der Schuld wirst du nicht angeklagt», sagte der Bischof, während er
     seine Siegel in das Wachs der letzten Abschrift drückte, «aber da wäre noch Oswalds Wergeld.»
    «Ich vertraue auf Euer weises Urteil, Bischof», sagte ich, öffnete den Beutel, der unter meinem Wams hing, und entnahm ihm
     ein kleines Goldstück. Als ich es auf den Teller legte, ließ ich ihn absichtlich sehen, dass noch mehr Gold in dem Beutel
     steckte. «Oswald war ein Dieb.»
    «Seine Familie wird seine Unschuld beschwören», entgegnete der Priester.
    «Und ich kann Männer bringen, die schwören, dass er gestohlen hat», sagte ich. Über einen Streit vor Gericht entschieden meist
     Schwüre, aber auf beiden Seiten wurde auf Biegen und Brechen gelogen, und gewöhnlich wurde den besseren Lügnern recht gegeben.
     Wirkten beide Seiten gleichermaßen überzeugend, setzte sich die Seite durch, die die Zuschauer für sich hatte gewinnen können.
     Es war also das Beste, sich die Gunst des Richters zu sichern. Oswalds Familie würde in der Gegend von Exanceaster viele Fürsprecher
     aufbieten können, doch auch ein |157| Gericht lässt sich mit Gold immer noch am schnellsten überzeugen.
    Und so war es auch diesmal. Zu Midriths Überraschung war die Schuld beglichen, und Oswalds Familie konnte sich mit ihrer Forderung
     von zweihundert Schillingen Wergeld nicht durchsetzen. Im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des Goldes verzichtete ich sogar
     darauf, vor Gericht zu erscheinen, und tatsächlich entschied der Bischof in meinem Sinne. Oswald sei, so sagte er, ein bekannter
     Dieb gewesen. Ich

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