Der weiße Reiter
freudvollen Gebet vereint mit den Britonen», ergänzte Asser frömmlerisch.
«Ich bete zum Allmächtigen Gott, dass es zu diesem glücklichen Ende kommen möge», sagte der König und |190| lächelte mich an. Ich ahnte jetzt, was er mir sagen wollte. Er machte, wie er dastand, ohne Krone, ohne Kette, ohne Armreifen
einen überaus bescheidenen Eindruck. Nur eine kleine Jettbrosche hielt seinen Umhang am Hals zusammen. Er sprach von einem
glücklichen Ende, doch was er eigentlich vor sich sah, war, dass sich das Volk der Sachsen unter einem König vereinte. Dem
König von Wessex. Hinter Alfreds Frömmigkeit verbarg sich ein ungeheurer Ehrgeiz.
«Wir müssen von den Heiligen lernen», sagte Alfred. «Ihr Leben weist uns den Weg durch die Finsternis, die uns umgibt, und
das segensreiche Vorbild des heiligen Cedd lehrt uns, dass wir nach Einigkeit trachten sollen. Umso schändlicher wäre es,
am Tag des heiligen Cedd sächsisches Blut zu vergießen.»
«Es muss kein Blut fließen, Herr», erwiderte ich.
«Das freut mich zu hören.»
«Wenn denn die Anklagen gegen mich zurückgezogen werden.»
Das Lächeln wich aus seinem Gesicht. Er trat ans Fenster und starrte in den nebeligen Hof hinaus. Ich folgte seinem Blick
und sah, dass mir ein kleines Schauspiel geboten wurde. Steapa rüstete sich zum Kampf. Zwei Männer legten ihm ein schweres
Kettenhemd über die breiten Schultern, während ein dritter einen übergroßen Schild und ein mächtiges Schwert bereithielt.
«Ich habe in der vergangenen Nacht mit Steapa gesprochen», sagte der König und wandte sich vom Fenster ab, «und er hat mir
gesagt, dass Nebel über Cynuit lag, als Svein angriff. Dichter Morgennebel, genau wie heute.» Er deutete auf die weißlichen
Schwaden, die in die Kapelle zogen.
«Davon weiß ich nichts, Herr», sagte ich.
|191| «Es wäre also möglich», fuhr der König fort, «dass sich Steapa irrte, als er glaubte, dich gesehen zu haben.» Ich musste ein
Lächeln unterdrücken. Der König hatte Steapas Geschichte als Lüge durchschaut, mochte es aber nicht zugeben. «Pater Willibald
hat übrigens mit der Besatzung der
Eftwyrd
gesprochen, und keiner der Männer hat Steapas Aussage bestätigt.»
Die Mannschaft hielt sich nach wie vor in Hamtun auf. Willibalds Bericht musste von dort gekommen sein, und das konnte nur
eines bedeuten: Schon bevor ich angeklagt worden war, hatte der König um meine Unschuld an dem Überfall von Cynuit gewusst.
«Ich bin also zu Unrecht angeklagt worden», sagte ich wütend.
«Du bist beschuldigt worden», stellte der König richtig, «und Beschuldigungen müssen bewiesen oder widerlegt werden.»
«Oder zurückgenommen werden.»
«Ich könnte die Anklage zurückziehen», sagte Alfred. Vor dem Fenster prüfte Steapa den Sitz seines Kettenhemdes, indem er
sein großes Schwert herumschwang. Es war ein gewaltiges Schwert, riesig, mehr Hammer als Klinge. Dann zog der König die Läden
halb zu, und Steapa war nicht mehr zu sehen. «Ich könnte die Anklage im Fall Cynuit zurückziehen», sagte er. «Aber da wäre
noch das Zeugnis von Bruder Asser, und ich glaube nicht, dass er lügt.»
«Ich habe eine Königin als Zeugin», erwiderte ich, «und sie sagte, dass er lügt.»
«Eine Schattenkönigin», zischte Asser, «eine Heidin! Eine Hexe!» Er blickte Alfred an. «Sie ist durch und durch böse, Herr»,
sagte er,
«eine Zauberin! Maleficos non patieris vivere!»
«‹Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen›», übersetzte |192| Alfred für mich. «So verlangt es Gott in den heiligen Schriften, Uhtred.»
«Eure Antwort auf die Wahrheit», höhnte ich, «ist es also, eine Frau mit dem Tode zu bedrohen?»
Alfred zuckte zusammen. «Bruder Asser ist ein guter Christ», zürnte er, «und er spricht die Wahrheit. Du hast ohne meinen
Befehl Krieg geführt, von meinem Schiff aus, mit meinen Männern. Dein Verhalten war heimtückisch! Du bist der Lügner, Uhtred,
du bist der Betrüger!» Er hatte Mühe, seinen Zorn zu beherrschen. «Ich bin überzeugt davon, dass du deine Schulden bei der
Kirche mit der Beute beglichen hast, die guten Christen geraubt wurde.»
«Das ist nicht wahr», entgegnete ich schroff. Ich hatte sie einem Dänen geraubt.
«Übernimm deine Schulden wieder», sagte der König, «und wir werden an diesem gesegneten Tag des heiligen Cedd kein Blut vergießen.»
Er bot mit mein Leben an. Lächelnd wartete Alfred auf meine Antwort. Er war sicher, dass ich sein
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