Der weiße Reiter
polierte sie mein Kettenhemd, das uns aus dem Wachtelkönig gebracht |182| worden war. Auf meine Waffen musste ich allerdings bis zum Morgen warten, und das bedeutete, dass ich sie vor dem Kampf nicht
würde schärfen können. Steapa hingegen hatte als Oddas Diener und Mitglied der königlichen Leibwache die ganze Nacht Zeit,
sein Schwert zu wetzen. Aus der Küche des Königs war uns etwas zu essen gebracht worden, doch ich hatte keinen Hunger. «Lass
es morgen ruhig angehen», riet mir Leofric.
«Ruhig?»
«Du wütest immer so schnell los», antwortete er. «Steapa ist sehr viel ruhiger.»
«Umso besser dann, wenn ich loswüte.»
«Darauf wartet er nur. Er wird Schlag für Schlag abwehren und dir dann, wenn du müde geworden bist, den Todesstoß versetzen.
So kämpft er immer.»
Harald erzählte dasselbe. Er war der Landvogt von Defnascir, jener Witwer, der mich in Exanceaster vor Gericht geladen hatte.
Er hatte aber auch an unserer Seite bei Cynuit gekämpft, und das verbindet. An diesem Abend tauchte er unverhofft und vom
Regen durchnässt aus der Dunkelheit auf und trat ins Licht des kleinen Feuers, das im Stall brannte, aber kaum wärmen konnte.
Er stand in der Tür und sah mich vorwurfsvoll an. «Wart Ihr mit Svein bei Cynuit?», fragte er mich.
«Nein», antwortete ich.
«Das habe ich mir gedacht.» Harald kam in den Stall und setzte sich zu uns ans Feuer. Die zwei Wachen an der Tür kümmerten
ihn nicht, was mir sehr auffiel. Sie standen alle in Oddas Diensten, und dem jungen Aldermann würde es gewiss nicht gefallen
zu erfahren, dass Harald zu uns gekommen war. Also vertraute Harald offensichtlich auf die Verschwiegenheit der beiden Wachen,
und das ließ darauf schließen, dass in Oddas Reihen Unmut herrschte. |183| Harald stellte einen Krug Bier auf den Boden. «Steapa sitzt an der Tafel des Königs», sagte er.
«Dann isst er nicht gut», bemerkte ich.
Harald nickte, brachte aber kein Lächeln zustande. «Ein Fest kann man das wirklich nicht nennen», bestätigte er und starrte
ins Feuer. Dann sah er mich an. «Wie geht es Mildrith?»
«Gut.»
«Sie ist ein gutes Mädchen», sagte er, streifte mit einem Blick die dunkle Schönheit Iseults und starrte wieder in die Flammen.
«Morgen wird ein Frühgottesdienst abgehalten», sagte er, «und danach kämpft Ihr gegen Steapa.»
«Wo?»
«Auf einem Feld am anderen Ufer des Flusses», antwortete er und schob mir den Krug zu. «Er ist Linkshänder.»
Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals gegen einen Mann gekämpft zu haben, der sein Schwert mit der linken Hand geführt
hatte, konnte aber auch keinen Nachteil darin erkennen. Im Gegenüber träfen Schild auf Schild und Waffe auf Waffe, aber das
würde uns beiden in gleichem Maße zu schaffen machen. Ich zuckte mit den Achseln.
«Er ist daran gewöhnt», erklärte Harald, «und Ihr seid es nicht. Außerdem reicht sein Kettenhemd bis hierher», er berührte
seine Wade, «und der linke Stiefel ist mit Eisen beschlagen.»
«Ist der Fuß seine Schwachstelle?»
«Den setzt er vor, um einen Angriff herauszufordern. Und dann hackt er auf den Schwertarm des Gegners ein.»
«Es wird also schwer sein, ihn zu besiegen», sagte ich beiläufig.
«Das hat noch keiner geschafft», brummte Harald.
|184| «Ihr habt nicht viel für ihn übrig, stimmt’s?»
Er antwortete nicht sofort, sondern trank zunächst einen großen Schluck aus dem Krug, bevor er ihn an Leofric weiterreichte.
«Ich mag den alten Herrn», sagte er und meinte Odda den Älteren. «Er ist zwar launisch, aber gerecht. Sein Sohn dagegen …» Er schüttelte missmutig den Kopf. «Ich glaube, er hat sich einfach noch nicht beweisen müssen. Und Steapa? Ich habe nichts
gegen ihn. Aber er versteht sich nur aufs Töten.»
Das Feuer war heruntergebrannt. Ich suchte in den letzten züngelnden Flammen nach einem Zeichen der Götter, aber da war nichts,
jedenfalls nichts, das ich erkannte. «Er wird trotzdem unruhig sein», sagte Leofric.
«Steapa?», fragte Harald. «Warum sollte er unruhig werden?»
«Uhtred hat Ubba getötet.»
Harald schüttelte den Kopf. «Steapa ist viel zu beschränkt, um sich Sorgen zu machen. Für ihn steht einfach nur fest, dass
er morgen Uhtred erschlagen wird.»
Ich dachte an den Kampf gegen Ubba zurück. Er war ein großer Krieger gewesen, gerühmt und gefürchtet, und ich hatte ihn getötet.
Doch ich hatte ihn nur überwinden können, weil er in die herausquellenden
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